DIE FRAU DES BÄCKERS Textbuch

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Textbuch (dt.)

DIE FRAU DES BÄCKERS

Musik und Gesangstexte von

STEPHEN SCHWARTZ

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Buch von

JOSEPH STEIN

nach dem Film „La Femme du Boulanger“ von Marcel Pagnol und Jean Giono Deutsche Fassung von

CHRISTIAN GUNDLACH

Bühnenvertrieb in Deutschland:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de


Alle Rechte vorbehalten. Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten.

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Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.

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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:

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Personenregister Aimable, der Bäcker Genevieve, seine Frau Denise Lehrer

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Priester

Marquis Claude

Barnaby

Hortense Pierre

Doumerque Therese Antoine

Philippe Nichten

Nicole Inez Simone

Dominique

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Dorfbewohner


Inhaltsverzeichnis Erster Akt 1 1 6 12 12 15 17

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Szene 1 (Dorfplatz) #1 Chanson (Denise) #2 Doch da bist ja noch Du (Lehrer, Priester, Marquis, Claude, Hortense, Barnaby, Ensemble) Szene 2 (Bäckerei) #2a Übergang zur Bäckerei (Orchester) #3 Merci Madame (Aimable, Genevieve) Szene 3 (Dorfplatz) #4 Brot (Lehrer, Priester, Pierre, Deniese, Claude, Doumerque, Marquis, Nichten, Aimable, Genevieve, Antoine, Hortense, Ensemble) Szene 4 (Bäckerei) #4a Szenenwechsel (Orchester) #5 Dass er mich liebt (Genevieve, Aimable) #5a Nachspiel (Orchester) Szene 5 (Dorfplatz) #6 Ah, ich bin verliebt (Dominique) #6a Nachspiel (Orchester) Szene 6 (Das Café) #7 Doch da ist ja noch sie (Reprise) Szene 7 (Bäckerei) #8 Serenade (Denise, Dominique, Aimable, Genevieve, Philippe) #9 Nachtigall (Genevieve) Szene 8 (Bäckerei) #9a Verbranntes Brot (Orchester) #10 So gut wie fast schon bald (Aimable, Lehrer, Priester, Marquis, Dorfbewohner, Ensemble)

17 25 25 29 31 35

37 42 42 44 48 50

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Zweiter Akt

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Szene 1 (Das Café) #11 Chanson (Reprise) (Denise) #12 Der glücklichste Mann der Welt (Claude, Barnaby, Männer, Antoine, Pierre) #13 Weibliche Bezugsperson (Nichten, Marquis, Männer) Szene 2 (Kirche) #13a Walzer-Überleitung (Orchester #14 Doch da ist ja noch sie (Reprise) (Priester) #14a Nachspiel (Orchester) Szene 3 #15 Dann leb‘ ich ab heut‘ allein (Aimable) #15a Nachspiel (Orchester) Szene 4 (Das Café) #16 Gefühl (Frauen, Denise, Hortense, Therese, Nichten) #16a Übergang zum Hotel (Orchester) Szene 5 (ein schäbiges Hotel) #17 Doch wärmt es nicht (Genevieve) Szene 6 (Dorfstrasse) #17a Bus-Stop (Orchester) #17b Nachspiel (Orchester) Szene 7 (Dorfplatz)

62 62 64 66 70 70 72

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#17b Genevieves Rückkehr (Orchester) Szene 8 (Bäckerei) #18 Finale Akt 2 (Genevieve, Aimable, Denise, Ensemble) #19 Verbeugungsmusik (Orchester) #20 Exit-Music (Orchester)


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AKT I 1. Szene Der kleine Dorfplatz eines Dorfes in der Provence, Frankreich. Die Außenansicht eines Cafés. September 1935. Früher abend.

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Einige Doftbewohner sitzen an Tischen, andere stoßen im Verlauf der Opening hinzu. CLAUDE, der Besitzer des Cafés, und seine Frau DENISE decken die Tische, servieren Getränke, usw. Einige der Männer spielen Boules. PHILIPPE, ein ca. 19jähriger junger Mann, spielt gedankenverloren auf der Gitarre. LEHRER L’air est trop calme. Le mistral ne va pas tarder.

CLAUDE Qui. Je dois aller reparer ma gouttiere – ca commence a pourrir: (im Befehlston) Denise! Cette table, vasy, vite!

(DENISE wirft ihm einen genervten Blick zu und beginnt die Tische abzuwischen, während sie zu sich selber singt.) Nr. 1: Chanson

DENISE CHAQUE JOUR EST UN JOUR COMME LES AUTRES JOURS LE POTAGE, L’OUVRAGE PEUT-ETRE L’AMOUR. LE SOLEIL; IL VOYAGE LE MONDE FAIT UN TOUR AINSI CEST TOUJOURS LE MEME …

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(THERESE tritt auf)

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THERESE Bon soir, Denise.

DENISE (zu THERESE) Bon soir. (DENISE dreht sich um und bemerkt uns) Bon soir... Guten abend. Wilkommen in unserem Dorf. Schön, dass Sie den Weg hierher gefunden haben. Denn schließlich ist unser Dort ganz schön klein und von der Umwelt abgeschnitten. Wie soll ich das sagen; sehen Sie die Zeitung, die der Professor dort liest? Es ist die einzige in unserem Dorf. Ich meine nicht, die einzige, die hier herausgegeben wird, sondern das einzige Exemplar... sie kommt per Post.

(PIERRE und DOUMERGUE treten auf, tief in eine Auseinandersetzung verstrickt.) 1


PIERRE Doumergue, ich sag es jetzt zum letzten Mal... DOUMERGE Und ich werde meine Eiche nicht umhauen!

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PIERRE Aber dein Baum nimmt meinem Garten das Licht. Und Spinat kann nun mal nicht ohne Sonnenlicht wachsen.

DOUMERGUE Pierre, es ist nicht meine Schuld, dass die Sonne im Osten aufgeht. Dann musst du halt deinen Garten verlegen. PIERRE Und wohin, bitteschön? Ins Haus? Fäll dem Baum!

DOUMERGUE Ich hau den Baum erst um, wenn du dir deine Nase abhackst. (SIE nehmen wütend Platz an verschiedenen Tischen.)

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DENISE (zuckt mit den Schultern, zu uns) Eine alte Geschichte... jeden Tag von vorn. Hier tut sich nicht viel – einer wird geboren, eine stirbt, zwei heiraten... aber heute ist anders. Heute abend erwarten wir gespannt die Ankunft unseres neuen Bäckers. Wissen Sie, unser alter Bäcker ist vor ein paar Wochen gestorben, und seitdem haben wir kein Brot mehr. Seit Wochen! Am Anfang ist mein Mann Claude noch morgens über den Berg nach St. Pierre gewandert, um dort Brot zu kaufen. Aber bis er dann abends zurück war... (Ein DORFBEWOHNER an einem der Tische beißt in ein trockenes Baguette und wirft es angewidert weg) Darum warten wir gespannt auf unseren neuen Bäcker! Wissen Sie, wenn man irgendwo lebt, wo sich jahrelang nichts ändert, dann kann selbst ein kleines Ereignis bedeutsam sein. Es kann sogar... dein Leben verändern... (singt) Jeden Tag geht die Welt unbeirrt ihren Gang. Und du gehst jeden Tag diese Strasse entlang. Und du siehst im Café dort Diese Frau, jenen Mann. Das wird sich niemals ändern. Und die Schafe im Feld Grasen friedlich und stumm. Und die Vögel im Wind Flattern lebhaft herum. Und doch hälst du nie inne Und fragst dich, warum Kann sich die Welt nicht ändern?

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Und dann plötzlich kommt der Tag, Und es passiert was: Es ist gar nichts Großes, es scheint ganz banal. Auf einmal, da schmeckt der Kaffee dir anders. Und der Vogel im Baum singt ein anderes Lied. Willst den Augen nicht trau’n, Denn es scheint, was geschieht, siehst du heute zum ersten Mal. Und die Hand, die dir täglich Die Wange berührt, Scheint plötzlich von jemand anders geführt. Und dann sag, willst du gehen? Oder stehst du dafür, Zu bleiben? Denn im Leben da zählt der Geschmack Des Kaffees doch allein. Und wenn die Hand dich berührt, wie der Sonnenschein, Dann kann sich die Welt auch ändern, Dann kann die Welt anders sein. LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA LA CLAUDE Denise! Therese wartet!

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DENISE (arbeitet weiter) Jeden Tag geht die Welt unbeirrt ihren Gang. Und du gehst jeden Tag jede Strasse entlang. Und du siehst im Café dort Diese Frau, jenen Mann. Das wird sich niemals ändern. (Kurze Pause nach dem Ende des Liedes.) BARNABY Er ist zu spät. LEHRER Ist er nicht.

BARNABY Aber du hast gesagt, er würde heute abend kommen. Und er ist noch nicht da. LEHRER Der Abend ist ja auch noch nicht vorbei. 3


CLAUDE Also willst du damit sagen, mein Freund, dass es noch viel zu früh für seine Ankunft ist. LEHRER Es ist weder zu früh noch zu spät. Er kommt wenn er kommt.

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CLAUDE Vielleicht kommt er früher.

BARNABY Wie kann er früher kommen als er kommt? Fragt ihn bitte, warum er solche blödsinnigen Dinge sagt. Idiot!

CLAUDE Sagt ihm, dass ich gemeint habe, er könnte ja vielleicht früher kommen als wir ihn erwarten. (Pause) Oder später. Blödmann! HORTENSE Wisst ihr, was ich glaube?

BARNABY Dich hat keiner gefragt, meine Liebe. HORTENSE Ich wollte nur sagen...

BARNABY Bitte unterbrich nicht, wenn andere Menschen reden... (zu den anderen) Vielleicht hat er es sich anders überlegt und kommt nicht.

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THERESE In Gottes Namen, sag doch nicht so was! Sieben Wochen ohne Brot!

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CLAUDE Es war so ein Schlamassel, als der alte Fouget gestorben ist. EINIGE DORFBEWOHNER (bekreuzigen sich) Gott segne ihn.

ANTOINE Das ist ja alles schön und gut, aber er hätte sich ruhig beizeiten um einen anderen Bäcker kümmern können. Er wusste doch, dass er sterben würde.

LEHRER Woher sollte er das denn wissen? Er ist betrunken in einen Graben gestürzt und hat sich das Genick gebrochen! 4


ANTOINE Er wusst es weil... weil wir alle sterben müssen. Früher oder später. So ist das Leben! Hab ich Recht, Herr Lehrer? LEHRER Bevor ich Ihnen mal Recht gebe... egal wozu... bring ich mich lieber um.

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(PRIESTER tritt auf)

DORFBEWOHNER (ad lib) Guten Abend, Vater.

PRIESTER Ah, unser Herr Lehrer, mit dir wollte ich sprechen. Ich habe da eine Frage. LEHRER Und?

PRIESTER Du sollst in der Schule heute morgen angeblich gesagt haben, Jeanne d’Arc hätte behauptet, Stimmen zu hören. LEHRER Das ist korrekt.

PRIESTER Wie kommst du dazu, die Kinder so in die Irre zu führen? Du hättest sagen sollen, Jeanne d’Arc hat Stimmen gehört. LEHRER Da bin ich mir nicht so sicher. Ich war ja nicht dabei. 1431 war ich noch nicht mal geboren.

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PRIESTER Jeanne d’Arc ist eine Heilige! Sie hat Stimmen gehört!

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LEHRER Und trotzdem wurde sie in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Und sie war nicht unentflammbar. THERESE In Drei Gotts Namen! Spricht man so über eine Heilige? CLAUDE Er hat doch wohl ein Recht auf eine eigene Meinung...

BARNABY Aber den Kindern muss der richtige Glaube vermittelt werden... DOUMERGE 5


Wenn er es nicht weiß, wer dann? Er ist der Lehrer... PIERRE Der Priester hat recht... (etc.)

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LEHRER Dieses Dorf ist mit Dummheit verseucht! (zum PRIESTER) Und du hast den Virus eingeschleppt! Nr. 2: Doch da bist ja noch du

„Ich denke, also bin ich!“, das sagte Descartes, der Philosoph. Da du nicht denkst, kannst du auch nicht sein. Drum sei so gut und lös dich auf in Luft.

PRIESTER „Den Nächsten lieben wie dich selbst!“, das sagte schon der Herr Jesus Christ. Und ganz unter uns, das wär auch nicht schwer, So lang nicht gerade du der Nächste bist! BEIDE Oh, wäre das nicht wunderschön In diesem Dorf zu leben: Gold’ner Weizen steht im Feld Und saftig reife Reben. LEHRER Eine Wohltat für das Auge, PRIESTER Und die gute Luft dazu.

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BEIDE Leben wie Gott in Frankreich, Doch da bist ja noch du!

(Der MARQUIS, die NICHTEN und DOMINIQUE treten auf. CLAUDE vertreibt DOUMERGUE und ANTOINE vom Stammtisch des Marquis.)

CLAUDE Nichts für ungut, aber das ist der Tisch des Marquis. (zum MARQUIS) Guten Abend, Monsieur le Marquis... ANDERE (ad lib Begrüßungen) MARQUIS Der neue Bäcker noch nicht da?

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CLAUDE Leider nicht... Denise! Das übliche für Monsieur le Marquis. Und zwar dalli! PHILIPPE Dominique! Celeste lässt ausrichten, sie wartet auf dich an der Schule.

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DOMINIQUE Alles klar. (Zum MARQUIS) Monsieur le Marquis, brauchen Sie mich heute abend noch? MARQUIS Schon wieder ein Rendevouz? Ein Mädchen aus dem Dorf? DOMINIQUE Also...

MARQUIS Nun lauf schon.

DOMINIQUE Danke, Monsieur le Marquis. MARQUIS (gibt ihm etwas Geld) Viel Spaß! (DOMINIQUE ab)

PRIESTER Monsieur le Marquis, wenn es Ihnen nichts ausmacht, auf ein Wort...

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MARQUIS (genervt) Und?

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PRIESTER (deutet auf die NICHTEN) Ich bin doch sehr irritiert, dass Sie diese... Damen mitgebracht haben. Sicherlich wäre unser neuer Bäcker schockiert, wenn er wüsste, dass Sie mit... mehreren Frauen zusammenleben. MARQUIS Aber, guter Mann, Sie vergessen... das sind meine Nichten. PRIESTER Und sie vergessen – ich bin Ihr Beichtvater.

MARQUIS Und es zeugt von Ihrem schlechten Geschmack, daraus einen Vorteil zu ziehen. LEHRER 7


Meine lieben Freunde, ich sag es euch nur ungern, aber ihr nervt beide.

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MARQUIS Nun, eins ist klar: Ihr beide spinnt. Habt keine Kraft, steht nicht im Saft! Ein jeder soll leben, wie es beliebt. Und mir beliebt es, dass ihr euch verzieht! MARQUIS, LEHRER, PRIESTER Oh, schließlich möcht ich einfach doch nur Meine Ruhe haben. Mich an all den schönen Dingen Der Natur erlaben: Die Bäume spenden Schatten, Die Sonne wärmt dazu. Ein Leben wie Gott in Frankreich, Doch da bist ja noch du! CLAUDE Denise!

BARNABY Hortense!

CLAUDE, BARNABY Was soll denn das?

CLAUDE Das dauert zu lange!

BARNABY Dein Schmatzen – es stört!

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DENISE, HORTENSE ’Tschuldigung.

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CLAUDE, BARNABY Ich hab das schon so oft gesagt!

LEHRER, PRIESTER, PHILIPPE, ANTOINE, MARQUIS, DENIS, THERESE, SIMONE, INEZ, NICOLE, PIERRE, DOUMERGUE Wir hab’n das schon so oft gehört! ALLE Ich habe schon so vieles durchgemacht in meinem Leben. Warum nur hat Gott mir Solche Nachbarschaft gegeben? PIERRE

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Ich bin doch nur ein kleines Licht. DOMERGUE Und fromm bin ich dazu. THERESE, BARNABY, CLAUDE, DENISE Ich könnte so entspannt sein.

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PIERRE, DOMERGUE, THERESE, BARNABY, CLAUDE, DENISE Doch da bist ja noch du! ALLE (im Kanon, leise am Anfang, dann immer lauter) Ich bin doch nur ein kleines Licht. Und fromm bin ich dazu. Ich könnte so entspannt sein. Doch da bist ja noch du! PRIESTER, LEHRER, MARQUIS Und er! BARNABY, CLAUDE (zeigen auf ihre Frauen) Und sie! ANDERE Und die!

DENISE, HORTENSE Mein Mann!

THERESE, PRIESTER (zeigen auf den MARQUIS) Seine Nichten!

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PIERRE (zeigt auf DOUMERGUE) Sein Baum! DOUMERGUE (zeigt auf PIERRE) Sein Spinat!

DIE EINE HÄLFTE DES DORFES (zeigt auf den LEHRER) Sein Unterricht! DIE ANDERE HÄLFTE (zeigt auf den PRIESTER) Seine Predigt!

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ALLE All ihr Gejammer dazu, Und du! AIMABLE (taucht plötzlich auf) Bin ich hier richtig in Concorde?

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(Mit dem Ende des Liedes schauen ihn alle an. Es handelt sich um AIMABLE CASTAGNET, ein freundlicher älterer Herr mit einem gütigen Lächeln.)

MARQUIS (hat sich schnell wieder gefangen) Sie müssen unser neuer Bäcker sein! (AIMABLE nickt) Willkommen, Monsieur Castagnet... Herzlich willkommen.

LEHRER (schüttelt AIMABLE zur Begrüßung die Hand) Mein Name ist Monsieur Martine, wir hatten Kontakt. Darf ich vorstellen: Monsieur le Marquis, der Bürgermeister. Monsieur le Curé (schaut sich herablassend um)... und die anderen Bewohner unseres Dorfes. MARQUIS Setzen Sie sich doch, Monsieur Castagnet. Trinken sie was. CLAUDE Denise, Wein!

AIMABLE Vielen Dank, aber ich trinke nicht. (alle werfen sich erstaunte Blicke zu, fassungslos angesichts dieser ungewöhnlichen Veranlagung)

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MARQUIS (überrascht) Wirklich!... Nun, dann vielleicht einen Kaffee...

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CLAUDE Denise, Kaffee!

AIMABLE Nein, danke. Ich möchte gern erst auspacken. Wenn vielleicht jemand so freundlich wäre, mir mit dem Gepäck zu helfen. CLAUDE Oh, natürlich... Denise!

(SIE wirft ihm einen bösen Blick zu uns greift nach den Koffern. AIMABLE geht ab, gefolgt von DENISE.) MARQUIS Endich! Ein Bäcker! Wir werden wieder Brot haben! 10


LEHRER Der Alptraum hat ein Ende. PIERRE Er sieht aus, wie eine guter Bäcker.

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ANTOINE Und woher willst du das wissen?

PIERRE Nun, er ist alt genug, da hat er Erfahrung.

ANTOINE Vielleicht war er einfach nur viele Jahre ein schlechter Bäcker. PIERRE Daran hab’ ich gar nicht gedacht...

(AIMABLE und DENISE treten wieder auf mit noch mehr Gepäck. GENEVIEVE geht hinter ihnen her und trägt eine kleine Katze.) MARQUIS Oh, Sie haben eine Tochter. AIMABLE Meine Frau...

(Gemurmel der DORFBEWOHNER)

MARQUIS Ich bitte um Entschuldigung. Und Sie möchten ganz sicher keinen Kaffee?

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AIMABLE Also, wenn ich es mir so überlege... Es war eine lange Reise.

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MARQUIS Na also... Nehmen Sie doch einfach hier Platz... AIMABLE (im Hinsetzen begriffen) Genevieve... du auch einen Kaffee? GENEVIEVE Aimable, ich bin wirklich müde... AIMABLE Kein Problem, mein Schatz... GENEVIE (zu den anderen, sich ihrer Blicke gewahr)

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Aber trotzdem, vielen Dank... Sehr freundlich von Ihnen... Aber ich möchte so gerne unser neues Haus sehen. LEHRER Selbstverständlich...Es ist gleich hier drüben, Madame. Monsieur, der Schlüssel.

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(Gibt AIMABLE den Schlüssel. AIMABLE, GENEVIEVE, DENISE tragen das Gepäck ins Haus. Die ANDEREN gehen nach und nach ab.) BARNABY Hast du das gehört? Er will Kaffee, aber sie ist ja so müde.

DOUMERGUE (nachäffend) „Trotzdem, vielen Dank... Sehr freundlich von Ihnen...“ BARNABY Wofür hält sie sich eigentlich? Spielt sich hier auf!

PIERRE Ich frag mich, wo er sie aufgegabelt hat. Die ist doch höchstens halb so alt wie er. ANTOINE Wahrscheinlich aus dem Kindergarten.

CLAUDE Glaub mir, wenn ein alter Gockel sich in in ein junges Huhn verliebt, dann rappelts im Stall. (SIE gehen lachend ab.)

Szene 2 Die Bäckerei von innen, gleich im Anschluss.

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(DENISE, AIMABLE und GENEVIE treten auf. AIMABLE stellt das Gepäck ab und sieht sich um. GENEVIEVE lässt sich erschöpft in einen Stuhl fallen.)

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AIMABLE Vielen Dank für Ihre Hilfe.

DENISE Nichts zu danken. Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit. (DENISE geht ab)

AIMABLE Ist es nicht herrlich? Und alles so sauber! So richtig zum Wohlfühlen, nicht wahr, Genevieve? GENEVIEVE Ja, es ist schön. 12


AIMABLE Und dieser Ofen ist einfach perfekt... (sieht sich um) Alles in hervorragendem Zustand... ein gemütlicher Raum, nicht wahr, Genevieve? GENEVIEVE Ja, es ist gemütlich.

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AIMABLE Unser eigenes Haus...

GENEVIEVE (erfreut) Ich hatte noch nie ein eigene Haus...

AIMABLE (zu der Katze, die GENEVIEVE noch immer festhält) Und du, Pompom, wie gefällt es dir? GENEVIEVE (lächelt) Ihr gefällt es gut.

AIMABLE Vielen Dank, Pompom. Dafür gibt es morgen früh ein Schälchen Sahne extra. (greift nach dem Gepäck) Ich trag das schon mal nach oben ins Schlafzimmer. GENEVIEVE Ich helfe dir.

AIMABLE Aber nein, mein Schatz, du must dich ausruhen. Der lange Marsch von der Haltestelle hat dich müde gemacht. Und die sind schwer!

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GENEVIEVE Aimable, du hast mich schon Tabletts mit schmutzigem Geschirr tragen sehen, die waren viel schwerer als diese Koffer.

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AIMABLE Aber du bist keine Kellnerin mehr. Du bist jetzt Madame Castagnet. GENEVIEVE Bitte nenn mich nicht so.

AIMABLE Aber du bist doch Madame Castagnet.

GENEVIEVE Ich weiß, aber ... das klingt nach einer fetten, alten Frau. AIMABLE Aber ich sag das so gerne.

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GENEVIEVE Dann sag es noch einmal. AIMABLE (liebevoll) Madame Castagnet.

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GENEVIEVE Und jetzt niemals mehr. Einfach nur Genevieve. AIMABLE Meine Genevieve! (Er trägt das Gepäck nach oben. GENEVIEVE steht auf und sieht sich um, geht nach draußen. AIMABLE ruft von oben) Dieser Raum ist wirklich gemütlich. Komm und sieh es dir an! (Als sie nicht reagiert, kommt AIMABLE die Treppe herunter gerannt) Genevieve!... Genevieve! Wo bist du? GENEVIEVE (kommt wieder herein) Was ist? Was ist los?

AIMABLE Nichts... Ich hab dich vermisst. Sobald du nicht mehr im Zimmer bist, vermisse ich dich. GENEVIEVE Aimable, du musst jetzt langsam mal aufhören, dir ständig um mich Sorgen zu machen. AIMABLE Es tut mir leid. Manchmal denk ich, es ist alles nur ein Traum. Und wenn ich aufwache, bist du nicht mehr da.

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GENEVIEVE Ich bin hier, Aimable. (GENEVIEVE lässt sich in einen Stuhl fallen)

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AIMABLE Du Arme, bist so erschöpft. Komm, ich massiere deine Füsse... (massiert einen Fuß). Süsser kleiner Fuß... (hebt den anderen Fuß hoch... mit gespieltem Erstaunen) Schau nur! Der andere ist genauso klein! (SIE lacht und gibt ihm einen Kuß auf den Kopf) Ein Kuss! Merci, Madame... Gefällt es dir hier, Genevieve? GENEVIEVE Ja. AIMABLE Wirklich? GENEVIEVE Wirklich.

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Nr. 3: Merci Madame

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AIMABLE Kaum zu glauben – sie mag es! Kaum zu glauben, Pompom! Mein Engel sagt, sie mag es. Kaum zu glauben, Pompom! Und sie strahlt wie eine Sonne, In den Augen funkelt Gold. Heut ist das Glück mir hold! (zu Genevieve) Komm nur herein in die gute Stube, Herein in dein neues Haus. Schau es dir an und sag mir dann, Es sei doch nur ein Haus. Denn wenn man genauer hinsieht, Kann es plötzlich viel mehr sein. Frag mich, was... GENEVIEVE Sag mir, was?

AIMABLE Es ist unser Heim!

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Merci, Madame Merci, Madame. Es wird ein Heim erst dann Bist du von der Partie, Madame. Pompon miaut, denn er vertraut, dass ich dir sagen kann: Merci, Merci, Madame! (Tanzt mit Pompom) Lass uns tanzen, Pompom! (mit „Katzenstimme“, als wenn Pompom mit Genevieve spricht)

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Miau Miau Miau Miau Miau Miau Miadame. (setzt die Katze herunter) Na, dann erkundige mal dein neues Zuhause! (zu Genevieve) Unser neues Zuhause! Ich weiß genau, was in dir jetzt vorgeht, genau, was du sagen wirst: dies ist der Ort, wo immerfort du künftig hingehörst. Und doch, will ich dir verraten, gibt’s noch einen bess’ren Platz. Frag mich, wo!

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GENEVIEVE Sag schon, wo?

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AIMABLE Hier – ganz nahe bei meinem Schatz! Ich sag Merci, Madame. Sieh her, Madame. Will bei dir sein, denn ganz allein Bin ich nie mehr, Madame. Lass dich nie los, auf meinem Schoß Bist du geborgen dann. Meric, Merci (plötzlich sanfter) Höre nun des Bäckers Schwur an diesem Tag. Alles, was des Bäcker’s Frau sich wünschen mag: Ich will immer zu dir stehen. Will an deiner Seite sein. Bin bei dir im Regen und im Sonnenschein. GENEVIEVE Nur du, Aimable. Nur du ...

GENEVIEVE Ich habe niemand je gehabt, Für den ich wirklich Wichtig war. Ich war noch niemals so allein, Und plötzlich warst du Einfach da. Und dann war jeder Tag voll Sonnenschein.

AIMABLE Ich will immer zu dir stehen. Will an deiner Seite sein.

Bin bei dir im Regen und im Sonnenschein.

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AIMABLE Und uns’re Zukunft ist wie ein Croissant, Frisch und warm und leicht. Und uns’re Zukunft, ja ich kenn sie schon, Hab sie schon erreicht. (Aimable nimmt ihren Arm und sie tanzen, immer schneller und schneller...) Merci, Madame, Heut weiß ich ja, bin wieder jung, hab soviel Schwung, wie als ich Dreißig war! Ich fang neu an mit dir, ich kann mit dir ein And’rer sein. Schau mal hier: (macht einen Sprung) Oder so: (hebt sie hoch und wirbelt sie durch die Luft)

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Und wir sind glücklich, ich drück dich! Vielleicht wird aus Zwei ja dann bald auch noch Drei, ja, Was bleibt da noch zu sagen, nur Merci, Madame... GENEVIEVE Halt die Luft jetzt an, denn jetzt bin ich dran: Merci, Monsieur... GENEVIEVE, AIMABLE Merci Beaucoup!

AIMABLE Nun... ich muss das Brot für morgen vorbereiten. GENEVIEVE Ich mach den Ofen an.

AIMABLE Nein, nein, nein. Du bist müde. Geh ins Bett, mein Schatz. Ich komm bald nach. GENEVIEVE Na gut. (macht sich auf den Weg) Gute Nacht, Aimable.

AIMABLE Gute Nacht, Genevieve. (schaut ihr hinterher. Zu sich) Gute nacht... Madame Castagnet. (Licht aus)

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Szene 3 Der Dorfplatz. Am nächsten Morgen.

(Ein Hahnenschrei... DORFBEWOHNER treten auf, angezogen von einem wundervollen Duft, einige nur halb angezogen...) Nr. 4: Brot

LEHRER Ah, wie das duftet – so gut!

PRIESTER Ah, dieses himmlische Aroma. PIERRE Ah, wie verlockend... 17


DENISE Ah, wie verführend... CLAUDE Ah, wie bestechend...

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ALLE Ah ... Frisches Brot, Nichts geht über frisches Brot! DOUMERGUE Welch ein Duft im Morgenrot! NICHTEN Eine Sünde!

MARQUIS Nichts ist so lecker, Wie frisch vom Bäcker!

ALLE Keine Not Leidet man mit frischem Brot! Das macht mich nervös, so deliziös ist frisches Brot!

(Sie entdecken das Brot in der verlockend dekorierten Auslage der Bäckerei. AIMABLE und GENEVIEVE stehen stolz dahinter.) DOUMERGE Schaut nur!

N

IC

ANTOINE Wo?

DOUMERGE Da!

ANTOINE Oh, mein Gott!

CLAUDE Ist das nicht herrlich... HORTENSE Ja, das ist doch... PRIESTER

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Wahnsinn, ja, ich glaub’s nicht! PIERRE So braun... NICHTEN Nein, gold...

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THERESE Nein, bronze...

CLAUDE Ist das nicht herrlich... DENISE Knusprig ...

MARQUIS Ganz genau!

BARNABY Und wie das duftet ... PHILIPPE Riech mal! NICHTEN Fühl mal!

MARQUIS Eine Wohltat für die Sinne ... BARNABY Und die Kruste ist so ...

N

IC

THERESE Herrlich knackig ... DOUMERGE Wohlgeformt ... Antoine Alles frisch ...

HORTENSE In den Mund ...

PIERRE Auf den Tisch ... LEHRER 19


Läßt begehren... MARQUIS Lässt verzehren... FRAUEN Traumhaft!

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MÄNNER Herrlich!

ALLE Nicht studieren, jetzt probieren!

(Alle versuchen gleichzeitig die Bäckerei zu stürmen. Es kommt zu einem Tumult.) AIMABLE Aber, aber... Es ist genug für alle da!

(Er bricht ein Brot in Stücke und verteilt diese zum Probieren.) LEHRER Mmh, das ... CLAUDE Ohh, ja ...

LEHRER Oh, mein Gott!

CLAUDE Das ist der Wahnsinn ...

IC

BARNABY Nein, viel besser ...

N

PRIESTER Gebt mir noch ein Stück .... DOUMERGUE So weich ... PIERRE So soft ...

THERESE Nein, leicht ... CLAUDE Das ist der Wahnsinn ...

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DENISE Knusprig MARQUIS Ganz genau ...

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NICHTEN Wie sich das anfühlt ... ANTOINE Beiß mal!

HORTENSE Kau mal!

CLAUDE Dieses Brot ist wahre Kunst! ALLE Eine Gabe!

PRIESTER Schmilzt im Mund und ... PIERRE Das geht runter ... HORTENSE Ein Genuss ...

NICHTEN Ein Gedicht ...

IC

THERESE Teufelswerk!

N

PRIESTER Ist es nicht! ANTOINE Kau es!

PHILIPPE Beiß es!

NICHTEN Schling es! CLAUDE Reiß es!

21


FRAUEN Deftig! MÄNNER Kräftig!

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ALLE Einer geht noch, einer geht noch... Frisches Brot, Wer braucht da noch Lammragout? Damit lass uns bloß in Ruh, MARQUIS Denn wir können Uns dran erlaben, Dies Brot zu haben! ALLE Gib uns Brot!

DOUMERGUE Marmelade reicht dazu!

ALLE Welch himmlisches Glück Ist so ein Stückchen frisches ...

Frisches Brot, Gib mir täglich frisches Brot.

CLAUDE Ich gäb’ Dir meine Frau, zur Not.

IC

DENISE Keine Chance!

N

ALLE Wie ich das Baguette da Gerne wohl hätt, ja Nun, zur Not Wär ich lieber mausetot.

Lieber, guter Bäckersmann, schau uns nicht so böse an. Sei so gut und gib uns dann Das täglich Brot!

MARQUIS (zu AIMABLE) Großartig! Ich habe Brot und Gebäck in vielen Ländern dieser Erde probiert. Aber so etwas ist mir noch nie untergekommen ... Ich benötige zehn... nein, zwölf Brote 22


dreimal die Woche. Mein Dienstbote Dominique wird sie abholen ... und ein paar Croissants. NICOLE Und Brioches. Davon könnte ich ein ganzes Dutzend verschlingen.

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SIMONE Du könntest? Du hast! Hab ich doch genau gesehn... INEZ (zu AIMABLE) Das stimmt. Nicole hat sich einfach nicht unter Kontrolle, wenn’s um’s Essen geht. Gestern Abend erst hat sie... MARQUIS (unterbricht sie) Wenn es Croissants zum Frühstück gibt, dann werden meine kleinen Nichten so richtig schwach. THERESE Nichten. Hah!

DENISE (zu THERESE) Wenn der Marquis sagt, das sind Nichten, dann sind es Nichten. Vielleicht nicht seine Nichten, aber wen interessiert das? BARNABY Hey, Bäcker, warum ist dein Brot soviel besser, als das vom alten Fouget?

CLAUDE Denise, sag ihm er soll nicht mit vollem Mund sprechen und Brotkrümel in der Gegend rumspucken.

BARNABY Sag ihm, er soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. (AIMABLE schaut beide erstaunt an)

N

IC

DENISE Sie reden nicht miteinander. AIMABLE Warum nicht?

CLAUDE Keine Ahnung. Unsere Väter haben schon nicht miteinander gesprochen. Unsere Großväter auch nicht. Und die wussten auch schon nicht, warum. BARNABY Aber es hat eine lange Tradition. Also muss es ernst gewesen sein. HORTENSE Nun, meiner Meinung nach...

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BARNABY Hat dich jemand nach deiner Meinung gefragt? Soweit ich weiß, nicht. HORTENSE Entschuldigung...

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BARNABY Nun geh schon und kauf das Brot für heut abend. (sie geht in die Bäckerei.)

ANTOINE Sag mal, Bäcker... wie kommt eigentlich so’n komischer Kauz wie du zu so einer bildhübschen Frau? LEHRER Antoine!

AIMABLE (freundlich) Wie ich sie gefunden habe? Ich weiß nicht. Gott hat es wohl gut mit mir gemeint.

PRIESTER Weise Worte, Bäcker. Der Herr in seiner unendlichen Weisheit findet für jeden Topf den passenden Deckel. CLAUDE Dann hat er bei meiner Hochzeit wohl im Dunkeln gesucht! (Die DORFBEWOHNER lachen) DENISE Das wirst du noch bereuen. (Andere DORFBEWOHNER lachen.)

LEHRER Kommen Sie, Bäcker. Trinken wir einen Kaffee zusammen.

N

IC

CLAUDE Sie sind unser Gast!

AIMABLE Ein paar Minuten können ja nicht schaden. (SIE gehen zusammen in Richtung Café) PIERRE Sind Sie schon lange verheiratet? AIMABLE Nein...nur ein paar Monate.

THERESE Und wie lange haben Sie sich vor Ihrer Hochzeit gekannt?

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AIMABLE Nicht sehr lang... DOUMERGUE Wo haben Sie geheiratet?

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AIMABLE Wo wir herkommen... in Marseilles. BARNABY Waren Sie schon mal verheiratet?

AIMABLE Nein, das ist das erste Mal... Mannomann, sind hier alle so freundlich? (Sie gehen in das Café, während das Bühnenbild sich verwandelt in...)

Szene 4 Die Bäckerei von innen – gleich im Anschluss.

(HORTENSE kauft ein. GENEVIEVE hinter der Theke.) GENEVIEVE Darf es noch etwas sein, Madame?

HORTENSE Ja, vielleicht zwei von den Obsttörtchen dort. GENEVIEVE Die mit Erdbeeren?

HORTENSE Nein, die mit den Kirschen.

N

IC

GENEVIEVE Die Erdbeertörtchen sind besonders lecker.

HORTENSE Ich weiß, die mag ich selbst am liebsten. Aber mein Mann isst nur die mit Kirschen. GENEVIEVE Nun, dann leg ich eine mit Erdbeeren so dazu – nur für Sie! HORTENSE Das... würde ihm nicht gefallen.

(DOMINIQUE tritt auf. GENEVIEVE bemerkt ihn. Seine Anwesenheit irritiert sie während des nachfolgenden Dialoges.) GENEVIEVE 25


(übergibt den Einkauf an HORTENSE) Bitte sehr. HORTENSE Nein, nicht die. Ich hab doch gesagt... die mit Kirschen.

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GENEVIEVE (durcheinander) Ach ja, Entschuldigung. (gibt ihr die richtige Ware und wendet sich an DOMINIQUE) Bitte sehr? HORTENSE Ich habe noch nicht bezahlt. (gibt ihr das Geld)

GENEVIEVE Vielen Dank, danke. (HORTENSE geht ab. GENEVIEVE wendet sich an DOMINIQUE in einem geschäftsmäßigen Tonfall) Sie wünschen? DOMINIQUE Der Marquis schickt mich... Seine Bestellung – zwölf Brote. GENEVIEVE Zwölf Brote.

DOMINIQUE Genau. (Er hält ihr einen Leinensack hin, in den sie nach und nach die Brote hineinlegt.) DOMINIQUE Ich habe den Bäcker im Café getroffen. Scheint ein netter Mensch zu sein, Dein Vater.

N

IC

GENEVIEVE Er ist nicht mein Vater, sondern mein Mann.

DOMINIQUE Oh, Entschuldige... Entschuldigen Sie. Ich dachte, weil du... weil Sie noch so jung... Es tut mir leid. GENEVIEVE Macht nichts. (wechselt das Thema) Sagen Sie, was arbeitet man denn so für den Marquis?

DOMINIQUE Alles mögliche. Sein Auto fahren... sich um die Pferde kümmern... was immer er braucht, Mademoiselle.

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GENEVIEVE Madame. DOMINIQUE Oh, ja. Entschuldigen Sie. Das tut mir leid.

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GENEVIEVE Ist schon in Ordnung. DOMINIQUE Sind Sie schon lange verheiratet? GENEVIEVE Warum fragen Sie?

DOMINIQUE Keine Ahnung, hat mich einfach interessiert. (Tritt näher an Sie heran) Ich hab nicht aufgepasst, waren das fünf? GENEVIEVE Sechs.

DOMINIQUE Es scheint nur seltsam, dass Sie so jung sind und verheiratet mit... GENEVIEVE (unterbricht ihn) Sie wiederholen sich. DOMINIQUE Entschuldigung.

IC

GENEVIEVE Und warum entschuldigen Sie sich andauernd? (Sie lacht. Er lacht mit, selbstsicherer)

N

DOMINIQUE Und... arbeiten Sie den ganzen Nachmittag? GENEVIEVE Warum?

DOMINIQUE Nun, ich habe das Auto des Marquis. Und da Sie neu hier in der Gegend sind, dachte ich, ich könnte sie Ihnen... GENEVIEVE Ich habe zu tun. DOMINIQUE

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Es gibt einen wunderschönen Wasserfall, hier ganz in der Nähe... GENEVIEVE Sie vergessen, dass ich verheiratet bin. DOMINIQUE Hab schon verstanden.

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GENEVIEVE Gut.

DOMINIQUE Wie wär’s mit morgen Nachmittag? (Sie wirft ihm einen bösen Blick zu.) Ist doch nur ein kleiner Ausflug! Oder haben Sie Angst, ihr Mann hätte damit ein Problem? GENEVIEVE Warum sollte er?

DOMINIQUE Weil jemand wie Sie... Also, wären Sie meine Frau, dann würde ich Sie nicht einen Moment alleine lassen. (Sie antwortet nicht) Wissen Sie was ich denke? GENEVIEVE Das ist mir egal.

DOMINIQUE Ich sag es Ihnen.

N

IC

GENEVIEVE Ich sagte, es ist mir egal!... Hören Sie zu: Sie wollten Brot kaufen. Das bekommen sie auch. Aber mehr gibt’s nicht! (Pause) Jetzt hab ich mich verzählt. DOMINIQUE Elf.

GENEVIEVE (legt das letzte Brot in den Sack) Zwölf.

AIMABLE (tritt auf) Es is ja so schön hier, Genevieve. Weißt du, ich glaub ich hab noch nie soviel Brot an einem Tag verkauft, wie heute. (sieht DOMINIQUE) Oh, Sie sind der Dienstbote des Marquis, nicht war? 28


DOMINIQUE Ganz genau... Auf Wiedersehen, Monsieur. AIMABLE Auf Wiedersehen.

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DOMINIQUE (wirft GENEVIEVE einen Blick zu) Madame... (Sie nickt. Er geht ab.)

AIMABLE Ein gut aussehender junger Mann, nicht wahr? Ich darf das nicht vergessen: Morgen muss ich mehr Mehl bestellen. Vielleicht sogar doppelt so viel... GENEVIEVE Aimable... AIMABLE Ja?

GENEVIEVE Bist du eigentlich niemals eifersüchtig?

AIMABLE Eifersüchtig? Weil dich andere Männer bewundernd anschauen? Warum sollte ich eifersüchtig sein? Ich habe einen Diamanten und er strahlt in ihren Augen. Sollen sie doch auf mich eifersüchtig sein... Ich leg mich ein bisschen hin. GENEVIEVE Na klar.

IC

AIMABLE Ich liebe dich.

N

GENEVIEVE (lächelt ihn an) Das weiß ich doch.

AIMABLE Du sagst nie „Ich liebe dich“ zu mir. Aber das macht nichts. Ich sage es für uns beide, damit es immer in der Luft hängt... (unterhält sich mit sich selbst) Ich liebe dich... ich liebe dich... ich liebe dich... ich liebe dich... ich liebe dich... (GENEVIEVE lacht, während er nach oben geht) Nr. 5: Dass er mich liebt GENEVIEVE Ich will immer zu dir stehen, will an deiner Seite sein...

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Der Kaffee dampft Still vor sich hin. Und Schokolade, Gerade Wenn ich traurig bin, Die er mir ohne Worte gibt. So zeigt er mir, dass er mich liebt. Einst war mir kalt, Ich war allein. Wollt’ alles geben Im Leben, Um glücklich zu sein. Doch sagt, warum das nicht geschieht? Zeigt er doch stets, dass er mich liebt!

Er ist so sanft und gut und warm, Ja, ich passe gut hierher. Doch denk in seinem Arm Ich ständig an Pierre. Pierre... Der Glanz in seinem Blick, Der Duft auf seiner Haut, Die Beine lang und so schlank die Figur, All das war mir so wohl vertraut... Es wird Zeit, dass ich versteh’: Pierre liebt seine Frau. Er wird nie mit mir geh’n. Ja, das weiß ich genau!

N

IC

Also nehm’ ich, was mir noch bleibt... Und das ist hier mit Aimable. Schau richtig hin! Gut, es passiert mit Aimable Tief in mir drin Nicht genug – und doch steh ich jetzt hier bereit... Geb mich ihm hin, das ist nicht schwer. Hör’ auf zu träumen, Versäume Keine Chance mehr. Weiß, dass kein Wunder mehr geschieht. Ein Leben lang, Heut fang ich an, Nun... glaub fest daran dass er mich liebt!

(Aimable singt gleichzeitig aus der oberen Etage) GENEVIEVE Und jeden Traum

AIMABLE Mein größter Traum, 30


er wurde wahr: Ehrlich, Herrlich, Begehrlich gar. Ihr treu, was immer auch geschieht. So zeig ich ihr Für alle Zeit, dass Ich sie lieb!

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Von heute an Träum ich bei Nacht nur, Lacht nur! Doch so bleib ich dann Ihm treu, was immer Auch geschieht. Trink den Kaffee, Wenn ich ihn seh. So denkt er dann, dass Ich ihn lieb!

Szene 5 Dorfplatz ... Nachmittags ... Zwei Wochen später ...

(PIERRE, DOUMERGUE, BARNABY und ANTOINE stehen um einen Baum herum und schauen hinauf. Gelegentlich hören wir ein Katze miauen.) PIERRE (nach einem Miau) Da ist eine Katze da oben.

DOUMERGUE Na, was denn sonst? Das sieht man doch.

PIERRE Ist ja schon gut! Ich hab doch nur gesagt, dass da oben eine Katze ist.

DOUMERGUE Als wenn das noch nötig gewesen wäre. Ich bin doch nicht blöd! Ich kenn ganz genau den Unterschied zwischen einer Katze und ... keiner Katze. (Miau)

N

IC

BARNABY Ich glaub, dass ist die Katze des Bäckers. Ich ruf mal! ANTOINE Die Katze?

BARNABY Nein, den Bäcker, Du Idiot!

PIERRE Der backt doch gerade. Und da wollen wir ihn doch nicht bei stören, beim Backen. DOUMERGUE, BARNABY, ANTOINE (schnell) Nein, nein... natürlich nicht... hast ja Recht... lass ihn backen.

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BARNABY Wie ist sie da überhaupt raufgekommen? Ist ganz schön hoch! DOUMERGUE Nicht für eine Katze.

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PIERRE Kann sein, kann aber auch nicht sein. Jede Katze ist anders. Einige sind gute Kletterer, andere nicht. Einige sind faul, andere... (Miau) BARNABY Ich glaub, sie will runter.

ANTOINE Und wer hindert sie daran?

GENEVIEVE (tritt auf... schaut nach oben in den Baum) Oh, mein Gott. Sie ist wieder in diesem blöden Baum... (Miau) Arme Pompom... komm hier, Pompom... (Miau) Das schafft sie nicht, die Arme. Dass sie aber auch immer so’n Unfug anstellen muss. Meine Herren, könnte vielleicht einer von Ihnen... (DOMINIQUE tritt auf)

BARNABY Nichts lieber als das, Madame, aber wie ich schon sagte, es ist ganz schön hoch. DOUMERGUE Wenn doch nur jemand eine Leiter hätte.

IC

ANTOINE Ich habe eine Leiter zuhause. Aber die ist nicht mehr so gut. Da fehlen einige Sprossen.

N

DOUMERGUE Warum sagst du es dann überhaupt?

ANTOINE Du hast gefragt ob jemand eine Leiter hat. Ich habe eine Leiter. Sie ist zwar kaputt, aber...

BARNABY Halt doch einfach den Mund, ja? Siehst du denn nicht, wie verzweifelt die gute Frau ist? PIERRE Ach, wenn sie erst mal Hunger kriegt, dann kommt sie auch schon wieder runter... So sind Katzen nun mal. Ich bin ganz sicher, sobald es dunkel wird, kommt sie...

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(DOMINIQUE klettert auf den Baum) DOUMERGUE Der kommt doch nie an sie ran... BARNABY Katzen sind gewitzt...

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PIERRE Der jagt ihr nur Angst ein...

ANTOINE Da muss man vorsichtig sein... er hat sie! (Währenddessen haben wir viele Miaus gehört... Plötzlich schreit DOMINIQUE auf und kommt wieder herunter) Er hat sie nicht... DOUMERGUE, PIERRE War doch eh zwecklos.

BARNABY Hab ich doch gesagt, Katzen sind gewitzt.

DOMINIQUE (zu GENEVIEVE) Tut mir leid... sie ist weggelaufen ... Vielleicht hab ich ihr Angst gemacht ... Tut mir wirklich leid. PIERRE (beim Abgehen) So sind sie nun mal, diese Katzen!

DOUMERGUE Man kann sich auf sie nicht verlassen.

N

IC

ANTOINE Hunde sind da ganz anders.

BARNABY Natürlich sind sie das. Sind eben keine Katzen! Warum erzählst du nur so’n Blödsinn? (SIE gehen ab)

DOMINIQUE Es tut mir wirklich leid. Sie war schon wieder weg, bevor ich überhaupt in ihre Nähe kam. GENEVIEVE Danke, dass Sie es versucht haben. Sie kommt bestimmt wieder zurück. So wie jedes Mal. Aber trotzdem, danke.

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DOMINIQUE Keine Ursache. (reibt seine Hand) GENEVIEVE Sie hat Sie doch nicht gebissen, oder? (greift nach seiner Hand)

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DOMINIQUE (Hält ihre Hand) Alles in Ordnung, keine Sorge.

GENEVIEVE (zieht ihre Hand zurück) Dann ist ja gut... Nun... Nochmals, vielen Dank. (will abgehen) DOMINIQUE Sind Sie mir böse? GENEVIEVE Böse? Nein.

DOMINIQUE Sind Sie doch. Jedes Mal, wenn ich mit Ihnen sprechen möchte finden Sie irgendeinen Vorwand und laufen einfach weg. So wie gestern, als wir uns zufällig beim Einkaufen getroffen haben. GENEVIEVE Ach ja, so wie vorgestern und vorvorgestern. Und vorvorvorgestern. (Eine Pause. Sie sehen sich an.)

IC

DOMINIQUE Tut mir leid. Aber... ich habe noch nie so jemand getroffen, wie Sie... obwohl, ich habe immer davon geträumt, dass ich eines Tages Mal jemanden treffe wie Sie... wie dich...

N

GENEVIEVE (ist für einen Moment still; offensichtlich berührt von seinen Worten. Dann, leise und ernsthaft) Bitte... Sprechen Sie nicht so mit mir. DOMINIQUE Aber es ist wahr.

GENEVIEVE Ich weiß... Danke... aber bitte nicht. DOMINIQUE Aber das kann ich nicht!

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GENEVIEVE Bitte. Hören Sie mir zu. Mein Mann ist ein guter Mann. Ich würde ihm niemals wehtun. Verstehen Sie das? DOMINIQUE (nach einer Pause) Ja. Ich werde Sie nicht mehr belästigen.

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GENEVIEVE Danke... Auf wiedersehen. (will abgehen) DOMINIQUE Genevieve...

GENEVIEVE Leben Sie wohl. (Geht ab.) DOMINIQUE schaut ihr noch einen Moment hinterher. Läuft in die entgegengesetzte Richtung davon, hält inne, schaut ihr abermals hinterher und singt...) DOMINIQUE Ahh... Bin verliebt! Bin total verliebt! Bin verliebt, bin verliebt, ich bin total verstört. Ganz egal, was ich auch sag, egal welcher Schwur, An diesem Tag Bleibt eines doch nur: Ich werd' alles dafür tun, Bis sie mich erhört.....

N

IC

Ich trag, wenn ich zum Bäcker geh, Was sicher morgen gleich geschieht, Die Hose eng, die Ärmel hoch, das Hemd weit aufgeknöpft, damit man Haare sieht. Ich fass die Brötchentüte an, daraus entsteigt der heiße Duft, Sie schaut mir zu und weiß sodann, ich bin so stark und elegant – sie schnappt nach Luft! Mein Puls, der rast, es kocht das Blut, komm nicht zur Ruh, Sag, wann wirst du es endlich einsehn und verstehn? Und wann hörst du mein Flehn? Wann wirst du mit mir gehn? Und ich singe, oh, du Schöne! Ja, ich lieb dich so, wann endlich wirst du mein?

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Und dein Name, er klingt So wie zarte Harfentöne. Und auch dein Lachen, es springt Mich wie ein Rehlein an. Nichts könnte schöner sein!

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PHILIPPE (kommt herbeigerannt) Dominique, Celeste hat gesagt, sie wartet auf dich beim... DOMINIQUE Kein Interesse. Sag ihr, ich habe kein Interesse. PHILIPPE Aber...

DOMINIQUE Ich hab kein Interesse! Weder an ihr, noch an einer der anderen. (PHLIPPE geht ab)

Ihr Anblick raubt mir den Verstand, Und es erzittert meine Haut. Im Traum seh ich sie nackt am Strand: Sie ist – wie ich! – auch gut gebaut. Ich denke Tag und Nacht an sie, seh ihre Hände, ihr Gesicht. So ein Geschöpf gehört geliebt, und das kann keiner so wie ich! Es ist egal, um welchen Preis, total egal ob Schmerz, ob Schande, da ich’s eh nicht stoppen kann. Das ist nicht falsch, es fühlt Sich doch so gut an!

N

IC

Und ich singe, oh, du Schöne! Ja, ich lieb dich so, wann endlich wirst du mein? Und dein Name, er klingt So wie zarte Harfentöne. Und auch dein Lachen, es springt Mich wie ein Rehlein an. Nichts könnte schöner sein! Bin verliebt! Bin total verliebt! Bin verliebt, bin verliebt. Und warum ist das schlecht? Das ist nicht gerecht, die Frau, meines Lebens steht da, und dieser Kerl

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führte sie zum Altar! Nun er tut mir wirklich leid. Und ich hoffe, er verzeiht, doch wird mein Traum, ich bin bereit, heut wahr!

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Szene 6 Das Café.

(Die DORFBEWOHNER sitzen an den Tischen. DENISE serviert. DOUMERGUE und BARNABY spiele Boule.) DOUMERGUE Daneben ...

BARNABY Die Sonne hat mich geblendet.

PRIESTER Ja, die Sonne strahlt hell heute.

PIERRE (an einem Tisch, verbittert) Auf alles – nur nicht auf meinen Spinat. DOUMERGUE Die Eiche bleibt wo sie ist!

PIERRE Das wollen wir doch mal sehn.

IC

DOUMERGUE Wenn du meiner Eiche zu nahe kommst, jage ich mein Pferd durch deinen Spinat!

N

PIERRE Wenn dein Pferd meinem Spinat zu nahe kommt, werde ich es erschießen! DOUMERGUE Schießt du auf mein Pferd, dann steht dein Haus in Flammen! PIERRE Zündest du mein Haus an, bring ich deine Frau um!

DOUMERGUE (denkt darüber einen Moment lang nach. Dann, ganz entspannt, zu BARNABY) ... Wirf ... MARQUIS

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Denise, noch eine Flasche von Ihrem besten Wein. Dieser Bäcker ist ein Genie: Seit drei Wochen backt er nun für uns – und seine Köstlichkeiten machen jedes Mahl zu einem Festschmaus. Auf den Bäcker... LEHRER Nicht nur dass er sein Handwerk versteht... Er ist wirklich ein liebenswürdiger Mensch.

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BARNABY Na, bei so einer hübschen und jungen Frau.

CLAUDE Ich hatte auch mal ein hübsche und junge Frau.

LEHRER Bitte was? Du hattest keine andere Frau außer Denise! CLAUDE Die mein ich ja auch.

(DORFBEWOHNER lachen.)

DENISE (süßlich) Also, wenn ihr mich fragt, ich mag die Ehe... solang es nicht meine ist! (Alle lachen) CLAUDE Denise! Pass auf, was du sagst!

DENISE (wütend) Ich soll aufpassen? Und was ist mit dir? Warum darfst du alle Hässlichkeiten einfach so...

N

IC

CLAUDE Denise!

DENISE Nimm dir doch mal ein Beispiel am Bäcker! So wie er mit seiner Frau umgeht... CLAUDE Hör auf, Denise, es reicht! (SIE hört auf. Eine unangenehme Pause.)

PRIESTER Ich bitte euch, sprecht nicht so abwertend über den Bund der Ehe. Er ist heilig. Wie Denise schon sagte, nehmt den Bäcker und seine Frau. ANTOINE Nimm du den Bäcker... ich nehm seine Frau. (er lacht) 38


THERESE Männer! Schweine! Gottseidank bin ich nicht verheiratet. EINIGE MÄNNER Amen.

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MARQUIS Wisst ihr, was das Problem mit dem Eheversprechen ist? ... Bis dass der Tod uns scheidet ... Das ist einfach zu lang ... viel zu lang.

(GENEVIEVE tritt auf. Alle sehen sie an. Sie geht zu dem Tisch, an dem BARNABY und HORTENSE sitzen und reicht HORTONSE ein Törtchen...) GENEVIEVE Hortense, ich dachte das mögen Sie vielleicht. HORTENSE (überrascht) Oh... vielen Dank.

BARNABY Erdbeer? Ich hasse Erdbeer!

HORTENSE Trotzdem, vielen Dank, Madame.

GENEVIEVE (zu Claude, während sie zu einem anderen Tisch geht) Ein Glass Weißwein und einen Kaffee, bitte. ANTOINE Madame, wenn Sie erlauben, wo ist denn ihr Mann?

IC

GENEVIEVE Er kommt nach.

N

ANTOINE (steht auf, nimmt sein Glas in die Hand, geht zu ihr) Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit Gesellschaft leisten? GENEVIEVE Nein, vielen Dank.

ANTOINE Warum nicht? (setzt sich)

GENEVIEVE Mein Mann wird jeden Moment hier sein. ANTOINE 39


Ich wollte doch nur freundlich sein. CLAUDE Antoine. (deutet ihm an, aufzustehen)

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ANTOINE Warum? Wir unterhalten uns doch nur. Oder, Madame? Ich sage etwas und Sie antworten etwas und dann... sage ich wieder etwas und... (AIMABLE tritt auf, setzt sich.) ANTOINE (sieht AIMABLE) Ah, Bäcker. Einen Drink? AIMABLE Ich trinke nicht.

ANTOINE Nicht? Nun, zu schade... (hebt sein Glas) Auf den Bäcker... und seine Frau. Mögen sie glücklich sein und viele Kinder haben. AIMABLE Viele Kinder? Nun, das hoffe ich doch...

ANTOINE Können Sie denn überhaupt noch... Kinder machen? CLAUDE Antoine...

ANTOINE Weil, Kinder machen ist ja nicht wie Brot backen... (lacht) Nicht wahr, Madame?

N

IC

DOMINIQUE (tritt an den Tisch) Entschuldigen Sie, Monsieur Castagnet. Dürfte ich kurz mit diesem Mann sprechen? AIMABLE Das ist nicht nötig.

DOMINIQUE (zu Antoine) Wolltest du nicht gerade aufstehn und gehen? ANTOINE Auf keinen Fall! DOMINIQUE Ich glaube aber doch.

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(zieht ihn hoch und stößt ihn von sich. ANTOINE rennt wie ein Berserker wieder auf ihn zu, aber DOMINIQUE wehrt ihn ab.)

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ANTOINE (fällt zu Boden) Er hat mich geschlagen! Er hat mich geschlagen! (DOMINIQUE hebt ihn auf und wirft ihn aus dem Café. Die anderen schauen entsetzt zu. DOMINIQUE wendet sich an GENEVIEVE, lächelt und verbeugt sich.) GENEVIEVE Wer hat Sie gebeten, sich einzumischen? DOMINIQUE Aber der Mann hat Sie beleidigt!

GENEVIEVE Aber das war nicht Ihre Angelegenheit! Halten Sie sich aus meinen Angelegenheiten heraus! AIMABLE Genevieve, er wollte doch nur ...

GENEVIEVE Ich weiß genau, was er wollte! (SIE geht wütend ab, gefolgt von AIMABLE. DOMINIQUE gibt PHLIPPE ein Zeichen und sie gehen auch ab. Die DORFBEWOHNER sind noch für einen Moment geschockt, aber dann fangen sie an wild durcheinander zu reden.) DOUMERGUE Warum hat Antoine sie nicht einfach in Ruhe gelassen?

PIERRE Er hätte sich einfach um seinen eigenen Kram kümmern sollen!

IC

THERESE Und was ist mit ihr?

N

BARNABY Sie hätte sich bestimmt keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn er sich an ihren Tisch gesetzt hätte. Für was hält sie sich eigentlich? HORTENSE (greift seinen Gedanken auf) Die Königin von Frankreich?

BARNABY Unterbrich mich nicht immer. Die Königin von Frankreich?

CLAUDE Es ist doch immer das gleiche: Sobald die Huhn den Stall betritt, hacken die Hähne aufeinander ein.

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Nr. 7: Doch da ist ja noch sie (reprise) THERESE Ja, früher war es friedlich hier, gestritten wurde nie! Es könnt auch heut so friedlich sein, doch da ist ja noch sie!

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MÄNNER Die Frauen wären glücklicher, FRAUEN Die Männer nicht getrieben,

ALLE Wär die Frau des Bäckers Brav nur hinterm Herd geblieben! LEHRER Vielleicht wär’s noch viel besser, Wenn er nur verwitwet wär. MARQUIS Alles im Lot: Er backt das Brot!

ALLE Doch da ist ja noch sie! Doch da ist ja noch sie! Doch da ist ja noch sie! Doch da ist ja noch sie! Doch da ist ja noch sie! Doch da ist ja noch ... sie!

N

IC

(Licht wechselt auf...)

Szene 7 Die Bäckerei von innen. Direkt im Anschluß.

AIMABLE Beruhig dich doch, mein Schatz. Das war doch nur eine kleine Kabbelei. Völlig bedeutungslos.

GENEVIEVE Bedeutungslos? Sie haben sich über uns lustig gemacht... ein alter Mann mit einer jungen Frau... AIMABLE

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Ach so, das... ein lustiger Spaß, nichts weiter... sie sind doch nur eifersüchtig, weil ich dich habe und sie nicht. GENEVIEVE Und dieser.. dieser... wie heißt er noch mal?... Dominique... wofür hält er sich eigentlich?

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AIMABLE Er wollte doch nur helfen... ein bisschen starrköpfig vielleicht... Aber er ist halt noch sehr jung ... ich bin mir sicher, dass er nur das Beste wollte.

GENEVIEVE Das Beste? Das Beste? (dreht sich um und sieht AIMABLE direkt an) Aimable, du verstehst die Menschen nicht. Wirklich überhaupt nicht (schaut weg) Du verstehst ja noch nicht mal deine eigene Frau. AIMABLE Wie kannst du so was sagen? Keiner kennt dich besser als ich. Du bist meine Frau ... mein größter Schatz ... mein Engel (SIE wendet sich ab) GENEVIEVE Ich geh ins Bett.

AIMABLE Ja, komm ins Bett ... ich kann ja verstehen, dass du traurig bist ... Dieses Ärgernis im Café ... und Pompom ist immer noch weg ... Aber morgen wird alles besser, ganz sicher ...Die Sonne wird scheinen, Pompom kommt nach Hause und die Welt sieht wieder anders aus. (SIE gehen nach oben und machen sich bettfertig. Gleichzeitig sehen wir CLAUDE und DENISE, die sich ebenfalls darauf vorbereiten, ins Bett zu gehen, in ihrem Zimmer über dem Café. CLAUDE würdigt seine Frau keines Blickes.)

N

IC

DENISE (schaut aus dem Fenster) Eine herrliche Nacht. Schau mal, der Mond. CLAUDE (legt sich ins Bett) Ich bin müde. Mach das Licht aus.

DENISE Nun schau doch mal, Claude. Es ist Vollmond. Wunderschön! CLAUDE Ich hab doch gesagt, ich bin müde. (DENISE seufzt und macht das Licht aus) Und mach das Fenster zu.

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DENISE Gleich. (singt, sieht aus dem Fenster) Nr. 7a: Chanson (reprise)

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Und der Wind hat bei Nacht Sich ganz plötzlich gedreht. Und dann hat er das Laub Von den Straßen gefegt. Und doch merkte es keiner, Und bevor man’s versteht, Hat sich die Welt geändert ...

(DOMINIQUE und PHILIPPE (mit Gitarre) treten auf auf der Straße vor der Bäckerei) PHILIPPE (flüstert nervös) Dominique, das ist doch völliger Wahnsinn! DOMINIQUE Mach einfach was ich dir sage. PHLIPPE Du bist vollkommen verrückt!

DOMINIQUE Stimmt genau. Ich bin vollkommen verrückt nach ihr. Soetwas habe ich noch nie gefühlt. Spiel schon. (PHILIPPE schlägt einen Akkord auf der Gitarre an) Nr. 8: Serenade

IC

DOMINIQUE Ahh... Ahh... Ahhh.

N

(AIMABLE fährt hoch, sieht zum Fenster) AIMABLE Was ist das denn? GENEVIEVE Keine Ahnung.

DOMINIQUE (sereniert auf zum Fenster der Bäckerei) Ahh... Ahh... Ahhh... (AIMABLE sieht aus dem Fenster) Bäcker, oh Bäcker, wir fall’n auf die Knie. 44


Sind dank deiner Gaben glücklich wie nie. Wir fall’n auf die Knie.... AIMABLE Das ist der Dienstbote des Marquis... Will sich wohl entschuldigen für den Ärger im Café.

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DOMINIQUE Hast Gaben gebracht, herzhaft und so weich, sie sind bezaubernd und schmackhaft gar. Doch nimm dich in Acht: Sie vergeh’n so leicht, Wenn die Verbindung zu zaghaft war. Sieh doch ein: Du kannst das nicht allein! Drum biet ich dir meine Tragkraft dar. GENEVIEVE Aimable... mach, dass sie weggehen.

AIMABLE Ja, ich gehe nur schnell runter, geb ihnen etwas Gebäck und dann schick ich sie fort... (ER geht nach unten in die Bäckerei) DOMINIQUE Das wird ein Fest Zum Dran Erlaben: Mit meinem Geschmack und deinen Gaben!

IC

(AIMABLE tritt aus der Bäckerei heraus. PHILIPPE lenkt ihn ab, damit DOMINIQUE näher an den Balkon herantreten kann)

N

DOMINIQUE PHILIPPE Hast Gaben Gebracht Für meiner Lippen Lust. Ihr Verlangen Ist wohl Schrankenlos.

Doch Gaben Verblühn. Hast Du das nicht

AIMABLE Was für ein Glück!

GENEVIEVE Das ist so frech!

Ich bin entzückt.

Und mir wird schlecht.

Ich weiß nicht, ob Ich meinen Ohren trau? Ein jeder Ton

Ein jedes Wort Treibt mich hinfort.

Trägt mich davon. 45


Gewusst? Sie verschwenden - wie gedankenlos!

Und, bitte, singt auch mal für meine Frau.

Du musst versteh’n,

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Es ziemt sich, wer so singt, dass man ihm was bringt,

Ich glaub nicht, wer so singt, dass er was Neues bringt.

dass sie schnell vergeh’n. Drum ist es auch Nicht verkehrt, dass Du deine Gaben heut’ Gibst Dem, der sie Verehrt...

das er zum Dank verzehrt.

Das ist nichts wert!

(DOMINIQUE klettert auf den Balkon, von dem GENEVIEVE ihm zugesehen hat. Er umarmt und küsst sie. Unten spielt PHILIPPE weiter Gitarre, während AIMABLE in die Bäckerei zurückkehrt, um einige Dankesgaben zu holen...) GENEVIEVE (entwindet sich seiner Umarmung) Bitte, hör auf.

DOMINIQUE Schau mich an... Bitte, schau mich an! ... Ich kann mich einfach nicht von dir fernhalten. Ich würde alles dafür tun, mit dir zusammen zu sein. GENEVIEVE Kein Wort mehr. Er kann dich hören.

N

IC

DOMINIQUE Wenn du bei ihm bleibst, wirst du eingehen... du krepierst! GENEVIEVE Hör auf damit. Ich bitte dich!

DOMINIQUE Du bist noch jung. Wir sind beide noch jung. Wir gehören zusammen. Und du weißt das, oder? Oder? (Er küsst sie wieder. Nach einem Moment erwidert sie den Kuss) Komm mit mir. Wir gehen zusammen weg. GENEVIEVE Was? DOMINIQUE

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Ich lass alles hinter mir. Noch heute nacht. GENEVIEVE Was?

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DOMINIQUE Ich kann hier nicht bleiben. Ich kann dich nicht mit ihm zusammen sehen. Komm mit mir! GENEVIEVE Aber...

DOMINIQUE An der Kirche. In einer Stunde! (Küsst sie) Ich liebe dich. PHILIPPE (Hörbares Räuspern)

(Sie hören AIMABLE aus der Bäckerei kommen. DOMINIQUE klettert wieder vom Balkon herunter, schaut nach oben) DOMINIQUE Ich liebe dich.

(ER springt zu Boden, in dem Moment kommt AIMABLE um die Bäckerei herum mit kleinen Törtchen in der Hand.) AIMABLE Bitte sehr. Und vielen Dank für das wunderschöne Lied. DOMINIQUE Danke Ihnen.

N

IC

DOMINIQUE, PHILIPPE Dass du deine Gaben heut gibst DOMINIQUE Dem, der sie verehrt... (SIE gehen ab.)

AIMABLE Sie sind weg. Genevieve, mein Schatz, du kannst jetzt beruhigt schlafen. GENEVIEVE Und du? AIMABLE

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Es ist schon spät. Das Brot muss schon bald raus. Ich leg mich unten kurz hin... Bitte, weck mich auf, damit ich nicht verschlafe... GENEVIEVE Mach ich.

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AIMABLE Gute Nacht, mein Engel. GENEVIEVE Gute Nacht.

(ER geht in die Bäckerei. GENEVIEVE steht für einen Moment still, dann setzt die Musik ein.) Nr. 9: Nachtigall

Was denkt er nur von mir? Er denkt wohl, ich bin wehrlos wie ein Kind! Denkt er das von mir? Nun, ich habe ihn schon vergessen! Ich geh jetzt ins Bett!

(Geht wieder ins Bett, legt sich hin, setzt sich wieder auf) Was denkt er, wer er ist? Hält sich für so toll, unwiderstehlich, Das denkt er und vergisst: Nur weil er ein Liedchen trällert, Fall ich nicht drauf rein!

N

IC

Was denkt er sich, Wenn er mich so maßlos reizt? Denkt, ich folge ihm still und leise? Was denkt er, wer er ist? Und was denkt er nur von mir? Und was will ich hier (seufzt) beweisen?

Meine Lieblingsgeschichte, als ich noch ein Kind war, War die der Nachtigall, Die lebte, wo der Fluss entsprang. Sie flog nicht fort, weil sie nämlich blind war. Jedoch sie sang, und wie sie sang! Der alte König lud sie in sein Schloss ein, Und er führte sie voll Stolz In sein Gemach. Ihr zu Diensten ließ er Seinen Dienertross sein, Und er sprach:

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“Sing für mich, oh Nachtigall, sing für mich von dem gold’nen Morgen. Sei mein Licht, oh Nachtigall, Und ich kaufe dir Samt und Seide, Will in edelstes Tuch dich kleiden, Mich in Demut vor dir verneigen, Sing für mich.” Dann, eines Tags, sang die Nachtigall ihre Lieder, und der Sonnengott kam, doch sie sah ihn nicht. Ihr Gesang berührte ihn, Er schwebte nieder und gab ihr Licht, Ihr Augenlicht! Es begab sich sodann, dass sie die Farbenpracht entdeckte Von dem Gott, der vor ihr stolz und stark da stand. Und er rief ihr nur zu “Komm mit mir hinfort!” und streckte seine Hand: “Flieg mit mir, oh Nachtigall, flieg mit mir in den gold’nen Morgen. Lebensgier wie ein Donnerhall. Und wir tanzen den bunten Reigen, Bis sich Sterne und Mond verneigen, Und ich werd’ dir den Himmel zeigen, Flieg mit mir.”

(Steht auf der Treppe, sieht zu AIMABLE hinunter)

N

IC

Doch die Nachtigall sagte “nein”, Ließ den König nicht allein, Sie tat ihm diese Schmach nicht an. Und der Gott kam nie zurück, Der alte König war entzückt! Jedoch der Vogel starb daran; Da fang ich auch noch heut zu weinen an.

Und nun steh ich hier selbst, bin total von Sinnen. Und mir wird jetzt klar, Mein Herz ist nicht aus Stein. Da will ein Mann mit mir ganz neu beginnen. Kann das sein? Er lädt mich ein! Sagt, was soll ich tun, ein schöner Mann steht vor mir. Und das Feuer brennt in ihm und mir so heiß. Die Liebe öffnet weit Ein großes Tor hier. Doch ich weiß um welchen Preis!

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Fliege weit, Nachtigall, Fliege weit in den gold’nen Morgen. Bin bereit für den freien Fall. Seh’ den Himmel nie mehr aus der Ferne, Ich bade im Meer der Sterne, Und ich lass alle Pflichten gerne Hinter mir. Darf dies Gefühl niemals mehr verlernen! Es ist Zeit: (Sie verläßt die Bäckerei still und leise.) Nimm meine Hand, Bin jetzt bereit! Mein schöner Mann, wir geh’n Ganz weit. (Sie läuft davon.)

Szene 8 Die Bäckerei von außen.

LEHRER Ahh ... wie das duftet, so ... (beginnt zu husten) PIERRE Das riecht verbrannt...

DOUMERGUE Irgendwo muß ein Feuer sein...

IC

CLAUDE In der Bäckerei...

N

BARNABY Ein Feuer in der Bäckerei? ANTOINE Die Bäckerei brennt!

(ANTOINE, CLAUDE, BARNABY, DOUMERGUE, PIERRE eilen in die Bäckerei.) CLAUDE Das kommt vom Ofen ... Da brennt was! ... (ruft) Bäcker! Monsieur Castagnet! ANTOINE Bäcker

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BARNABY (schüttelt ihn) Monsieur Castagnet... Doumergue Wachen Sie auf!

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AIMABLE (regt sich) Was? DOUMERGUE Der Ofen! AIMABLE Was ist denn?

BARNABY Der Ofen... überall ist Rauch!

AIMABLE Wie spät ist es? Ich muss verschlafen haben (öffnet den Ofen. Eine große Qualmwolke stößt hervor. Er schaufelt einige verbrannte Brote heraus) Die sind wirklich gut durch, nicht wahr? Das tut mir so leid. Ich muss einen neuen Teig ansetzen... Seltsam, dass meine Frau mich nicht geweckt hat. Normalerweise ist sie früh auf. Das wird ihr so peinlich sein... (läuft nach oben) Genevieve... Genevieve... PIERRE (hält ein verbranntes Brot in der Hand) Völlig ruiniert. AIMABLE (kehrt wieder um) Wo kann sie nur sein?

N

IC

CLAUDE Keine Ahnung.

AIMABLE Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen... Wartet. Ja, natürlich: Unsere Katze, Pompon, ist doch weggelaufen. Bestimmt sucht sie nach ihr! (läuft raus) Genevieve... BARNABY Was ist mit dem Brot?

AIMABLE Später... später ... (stößt auf dem Weg nach draußen mit dem PRIESTER zusammen. Läuft weiter, rufend) Genevieve... Genevieve... (ANDERE sind nach draußen gekommen, um zu sehen, was los ist. Der PRIESTER geht in die Bäckerei.) 51


PRIESTER (zu den MÄNNERN in der Bäckerei) Was ist denn hier los? Wo ist das Brot? Ist es noch nicht fertig? PIERRE Alles verbrannt.

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BARNABY Die Frau des Bäckers ist verschwunden.

PRIESTER Das ist ja furchtbar! Ihr meint, es ist wirklich alles verbrannt?

(AIMABLE tritt wieder auf, draußen vor der Bäckerei, spricht mit sich selbst)

AIMABLE Ich verstehe das nicht... Wo um alles in der Welt kann sie nur sein? Es sei denn sie hat mir eine Nachricht hinterlassen... Eine Nachricht! Natürlich! Warum hab ich da nicht gleich dran gedacht? (Er läuft wieder in die Bäckerei und schnurstracks nach oben ins Schlafzimmer.) PIERRE (ruft ihm hinterher) Bäcker, wo gehen Sie hin? CLAUDE Was ist mit dem Brot?

PRIESTER Müssen Sie nicht einen neuen Teig ansetzen?

IC

AIMABLE (ruft von oben) Mach ich bald... ich muß nur die Nachricht finden!

N

CLAUDE Wißt ihr, wenn eine Frau mitten in der Nacht verschwindet... DOUMERGUE Und dazu eine so junge und schöne Frau...

BARNABY ... dann besucht sie bestimmt nicht einfach nur ihre Mutter.

(MARQUIS tritt auf und zieht einen kleinlauten und sehr wiederwilligen PHILIPPE hinter sich her. Die anderen DORFBEWOHNER scharen sich herum, um ja nichts zu verpassen) MARQUIS (ruft) 52


Bäcker! Monsieur Castagnet!

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AIMABLE (kommt die Treppe herunter) Vielleicht ist die Nachricht aus dem Fenster gefallen. Anders kann ich mir das nicht erklären. (Er hält plötzlich inne als er den MARQUIS und PHILIPPE sieht.) Oh! Ich weiß! Jetzt weiß ich wohin sie gegangen ist... MARQUIS Und wohin?

AIMABLE Natürlich! Sie besucht ihre Mutter! (Alle schauen sich nur an) MARQUIS Ihre Mutter?

AIMABLE Natürlich! Sie kann nicht schlafen... sie ist wütend, durcheinander... Und plötzlich denkt sie: „Ich muss darüber mit meiner Mutter sprechen! MARQUIS (zu den ANDEREN in der Bäckerei) Meine Herren, ich muss mit dem Bäcker sprechen. (SIE nicken und rücken näher) Allein!

(Die DORFBEWOHNER verlassen die Bäckerei und sammeln sich aufgeregt im Café, tuschelnd und tratschend in kleinen Gruppen. Das Licht in der Bäckerei geht aus, während der MARQUIS PHILIPPE zum Bäcker zieht, um mit ihnen zu reden. Das Licht geht an im Café)

N

IC

HORTENSE Stellt euch nur vor! Ihren Mann verlassen! Einfach so weggelaufen! Wie kann eine anständige Frau so etwas nur tun? THERESE Eine anständige Frau würde das niemals machen.

DENISE Er ist so ein guter... so ein liebenswürdiger Mann. Wie konnte sie nur einen solchen Mann verlassen? CLAUDE Warum tut ihr denn alle so überrascht? Es gibt nur einen einzigen Ort auf der Welt, an dem dich eine Frau niemals betrügen würde – auf dem Friedhof. DENISE

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Claude! Willst du damit etwa sagen, ich könnte dich betrügen? CLAUDE Warum denn nicht? Ich sehe doch, wie die Männer dir Blicke zuwerfen und du sie anlachst.

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DENISE Das tue ich nicht. Schließlich bin ich mit dir verheiratet, da hab ich nichts zu lachen. CLAUDE Ist ja gut. Jetzt deck die Tische. DENISE Mach’s doch selber! (sie stolziert in das Café)

ANTOINE Wer weiß, Claude, vielleicht werden dir auch eines Tags die Hörner aufgesetzt, so wie dem Bäcker. (ER macht Hörner aus zwei Broten. Die ANDEREN lachen.) LEHRER Antoine! Wehe du sagst in seiner Anwesenheit auch nur ein Wort! Halt dich bloß zurück, verstanden? Er will das nicht wissen! ANTOINE Wie kann er nur so blind sein? Das ganze Dorf weiß doch Bescheid! LEHRER Willst du Brot oder nicht? ANTOINE Ja, schon, aber...

IC

LEHRER Dann halt dich zurück! Verstanden?

N

ANTOINE (nickt mit ernster Miene) Verstanden. (Er führt die Brote wieder als Hörner an seinen Kopf und springt herum. Die ANDEREN lachen sich halb tot. Der MARQUIS kommt aus der Bäckerei geeilt.) MARQUIS Ruhe, ihr Dummköpfe! Er backt wieder!

(Die DORFBEWOHNER versuchen sich zu beherrschen.) PRIESTER Außerdem, Antoine, das ist nicht komisch.

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MARQUIS Da geb ich Ihnen ausnahmsweise einmal Recht, Monsieur le Curé. Sie haben einfach mein Auto genommen, meinen Peugeot! PRIESTER Nein, ich meine was sie gemacht hat. Ehebruch ist eine Sünde!

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NICHTEN (tun geschockt) Nein, wirklich?

(Sie und viele DORFBEWOHNER lachen. Der PRIESTER wendet sich an den MARQUIS.) PRIESTER Verstehen Sie jetzt, wo Ihr unmoralisches Verhalten hinführt?

MARQUIS Oh, kommen Sie, Vater. Ich bin wahrlich kein bescheidener Mann, aber Ehebruch habe ich nun wirklich nicht erst erfinden müssen. Das ist schon seit Urzeiten eine äußerst beliebte Sünde. THERESE Das ist ja wohl erbärmlich!

(Die DORFBEWOHNER verfallen in heftige Diskussionen; einige pflichten dem PRIESTER bei, andere dem MARQUIS. Zunächst bemerken Sie nicht, wie AIMABLE aus der Bäckerei kommt. Der LEHRER sieht ihn als erstes.) LEHRER Ähh... wollten Sie nicht backen, Monsieur Castagnet?

(Die ANDEREN verstummen und sehen den BÄCKER an. DENISE tritt in die Tür des Cafés, um auch sehen zu können.)

N

IC

AIMABLE Natürlich. Ich bin ein Bäcker, also backe ich. Das Brot ist bald fertig. (setzt sich an einen Tisch) Einen Cognac, bitte. CLAUDE Ich dachte, Sie trinken nicht. AIMABLE Ich habe Durst.

DENISE Möchten Sie ein Glas Wasser? AIMABLE Dafür bin ich zu durstig. 55


(DENISE schenk ihm einen kleinen Drink ein und will gerade wieder gehen, als ER sie aufhält) Lassen Sie die Flasche gleich hier. (ER trinkt, schenkt sich einen nach dem anderen ein. Die ANDEREN schauen ihm dabei mit wachsenem Unbehagen zu. ANTOINE versucht die Stimmung aufzuheitern.)

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ANTOINE Also, Bäcker! Wie fühlt man sich so als Gehörnter? (Die DORFBEWOHNER reagieren entsetzt.) LEHRER Antoine!

ANTOINE Hab’s vergessen!

AIMABLE Haben Sie auch dies lächerliche Gerücht gehört? Wirklich, so ein Unsinn.... Gehörnter! (kichert, während er sich noch einen einschenkt) Ein lustiges Wort, nicht wahr? Gehörnter! Gehörnter! (AIMABLE und ANTOINE spielen sich das Wort abwechseln zu und lachen.)

LEHRER Hören Sie, mein Freund. Das ganze Dorf respektiert Sie. Ihre Backkunst ist deliziös, geradezu herausragend... AIMABLE Sie sind sehr freundlich.

IC

LEHRER Und ich habe großes Verständnis dafür, dass Sie gerade etwas unglücklich sind, weil ihre Frau...

N

AIMABLE .. ihre Mutter besucht? Warum sollte mich das unglücklich machen? LEHRER Ich verstehe, aber...

AIMABLE Einen Prosit auf meine Schwiegermutter! LEHRER Monsieur Castagnet...

AIMABLE Warum denn nicht? Haben Sie etwas gegen meine Schwiegermutter?

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LEHRER Nein, natürlich nicht. AIMABLE Gut. Also: Auf meine Schwiegermutter... (singt) Nr. 10: So gut wie fast schon bald

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Schenkt noch mal ein, diese Runde Geht jetzt auf mich. Auf die Person, die Das Herz dir bricht! Meine ist... sonst wo. Das stört mich nicht! Sie kommen und gehn, Das halt ich schon aus! Zum Wohl! Denn so gut wie fast schon bald kommt sie nach Haus. PRIESTER (geht auf AIMABLE zu) Mein Sohn... mein Sohn...

AIMABLE (wirft sich ihm an den Hals) Mein Vater... mein Vater...

PRIESTER Ich verstehe, was in dir vorgeht, aber... (zeigt auf die Flasche) das ist keine Lösung. AIMABLE Dafür schmeckt es aber ganz gut.

N

IC

PRIESTER Das wahre Heil liegt einzig und allein im Gebet. Bete, mein Sohn. Bete zur heiligen Cecilia. AIMABLE Warum zur heilige Cecilia?

PRIESTER Sie ist die Schutzheilige unseres Dorfes. Sie weilt unter uns.

AIMABLE Ich seh sie aber nirgends... Oh, na klar! Sie besucht ihre Mutter! PRIESTER Wie bitte? AIMABLE

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Ein Prosit auf die Mutter der heiligen Cecilia! Und auf meine Schwiegermutter! Und auf jedermanns Mutter! Oh, ist das nicht reizend? Kommt her zu mir! Früh oder spät Ist sie wieder hier. Kommt, lasst uns feiern, Was zögert ihr? Bringt mir noch ein Glas, Doch bloss nicht zu klein! Zum Wohl! Denn so Gut wie fast schon bald Kommt sie dann heim. ANTOINE Bäcker, was ist mit dem Brot?

AIMABLE Ich schließ die Augen und schon kann ich sie seh’n... LEHRER Das ist wirklich schlimm!

AIMABLE Ganz schnell eilt sie zu mir heran... PRIESTER Redet wirre...

MARQUIS Redet ohne Sinn...

IC

AIMABLE Ganz zweifellos wird sie bald vor mir steh’n, wüsste ich doch nur, wann.

N

Männer Schnell, er braucht einen Kaffee, stark und Schwarz! AIMABLE Ich hätt alles fertig Alles würde dann Strahlen,

Alles wie neu. Kuchen wär da, der Champagner schäumt. Und zur Feier des Tages Hätt ich aufgeräumt!

DORFBEWOHNER

Bäcker, nimm wieder Platz! Komm herunter! Trink den Kaffee Der macht munter. Bäcker! Bäcker!

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Das glaubt ihr wohl nicht? Fragt, wie kann das sein? Hoch die Tassen, so Gut wie fast schon bald, Ganz sicher kommt sie heim!

Genug ist genug, Deine Kunden warten, Bäcker!

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CLAUDE Aimable! Das Brot... was ist mit dem Brot? AIMABLE Ah, ja das Brot... natürlich, das Brot... Frisches Brot, Holt euch euer frisches Brot. Heut gibt’s keine Hungersnot. Kommt und holt es...

(Sie folgen ihm in die Bäckerei. Plötzlich bleiben die DORFBEWOHNER wie angewurzelt stehen... In der Bäckerei herrscht Chaos... alles ist von Teig und Mehl bedeckt...) DOUMERGE Schau nur! ANTOINE Wo? PIERRE Da!

ANTOINE Oh, mein Gott...

CLAUDE Ist das nicht furchtbar!

N

IC

PRIESTER Chaos!... LEHRER Oh, nein!

MARQUIS Das hat keinen Zweck... DENISE Es ist alles voll Mehl...

PIERRE Selbst an den Wänden... LEHRER 59


Oh, nein! HORTENSE Und der Teig tropft von der Decke... BARNABY Dieses Brot ist hart wie Stein!

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CLAUDE Und dies wie Blei!

ALLE Hey, sag, was denkst du dir dabei?

AIMABLE Ich verstehe das nicht... Ich hab alles so gemacht wie immer... (singt zögerlich) Ich kann’s nicht verstehen... Alles verbrannt... Ein Urlaub wär gut, Da geh ich an den Strand. Oder auch gleich in den Ruhestand... ALLE Was!?

AIMABLE Bald ist sie wieder da...

DORFBEWOHNER Bäcker, sei doch jetzt nicht so herzlos! AIMABLE Und ich nicht mehr allein!

N

IC

DORFBEWOHNER Doch warum soll das unser Schaden sein? AIMABLE Zum Wohl! Denn so Gut wie fast schon bald,

DORFBEWOHNER Nur weil sie nur an sich denkt, denkt an uns jetzt keiner!

AIMABLE Ganz bald schon kommt sie heim! DORFBEWOHNER Alles war doch so schön und plötz60


IC

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N lich gehen wir wieder ohne Brötchen heim! (AIMABLE bricht in den Armen einiger DORFBEWOHNER zusammen. Licht aus.)

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AKT II Szene 1 Das Café. Die Bäckerei von außen. Einige Tage später.

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(Die DORFBEWOHNER sitzen an den Tischen. Einer dreht trostlos einen leeren Brotkorb um. ANTOINE wirft einen Blick durch die Scheiben der Bäckerei.) Nr. 11: Chanson (reprise)

DENISE Und dann plötzlich kommt der Tag, Und es passiert was: Es ist gar nichts Großes, Es scheint ganz banal. Auf einmal, da schmeckt Der Kaffee dir anders. Und der Vogel im Baum Singt ein anderes Lied. Willst den Augen nicht trau’n, Denn es scheint, was geschieht, siehst du heute zum ersten Mal.

(Der LEHRER tritt auf, klopft an die Tür der Bäckerei.) THERESE Hat er immer noch nicht geöffnet? CLAUDE Man sieht und hört nichts.

BARNABY Du meine Güte, er hat das ernst gemeint. Er wird nie wieder backen!

N

IC

THERESE Und wir sind die Opfer der Geilheit dieser Frau!

PIERRE Das Dorf ist verflucht. Wir werden nie wieder Brot haben. LEHRER (tritt auf) Immer noch zu? Hat ihn jemand gesehen? HORTENSE Nein, niemand.

DENISE Vielleicht ist er krank. Er hatte ganz schön einen intus... LEHRER 62


Du hast Recht... (klopft an der Tür) Monsieur Castagnet... (öffnet die Tür) Aimable... (Er geht in die Bäckerei. Andere folgen ihm, während sich das Bühnenbild verwandelt und den Blick auf das Innere der Bäckerei freigibt) Bäcker... BARNABY Monsieur Castagnet...

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DOUMERGUE Aimable...

PIERRE Jemand zuhause? ANTOINE Wo ist er nur?

BARNABY Vielleicht oben... (läuft nach oben) CLAUDE (öffnet den Ofen) Der Ofen ist kalt.

THERESE Er hat gar nichts gebacken. BARNABY (kommt wieder herunter) Oben ist er auch nicht. LEHRER Oh Gott, er ist weg.

N

IC

(Ein Trog ist mit einem Tuch abgedeckt. Das Tuch bewegt sich. Darunter kauert Aimable. Die ANDEREN schreien auf vor Schreck. AIMABLE nimmt das Tuch ab, blinzelt verwirrt.) LEHRER Sie haben uns vielleicht einen Schreck eingejagt! Was machen Sie denn da? AIMABLE Ich ruh mich aus. DENISE Sind Sie krank?

AIMABLE Ich glaube nicht. BARNABY 63


Und was haben Sie jetzt vor? AIMABLE Sobald ihr alle weg seid, ruh ich mich weiter aus.

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THERESE Die Heiligen stehen uns bei! Es geht ihm gar nicht gut. Wir brauchen den Priester. (SIE und HORTENSE gehen ab.) BARNABY Sie sollten aufstehen, Monsieur Castagnet. Sie müssen wieder backen. AIMABLE Da bin ich aber nicht in der richtigen Stimmung für.

CLAUDE Hören Sie, Aimable, Sie verstehen das völlig falsch. Ich weiß, dass Sie Ihre Frau vermissen... Das ist doch keine Frage. Schließlich waren Sie gerade frisch verheiratet. Sie hatten noch gar keine Chance, sie wirklich kennenzulernen, von ihr gelangweilt zu sein... Ich meine, am Anfang ist alles so aufregend... Die Leidenschaft wie eine Lawine... Aber dann lässt das nach... es rutscht nur noch... und tröpfelt... DENISE Tropf! (sie stolziert ab)

CLAUDE Haben Sie das gehört? So redet sie von mir! Nach all den Jahren! Versteh einer die Frauen! Wissen Sie, Aimable, ich war auch mal so wie Sie... (singt) Nr. 12: Der glücklichste Mann auf der Welt

N

IC

CLAUDE Am Tag meiner Hochzeit War ich so verliebt. Und ich schwebte im Himmel vor Glück. Ich sah immer nur sie Und war völlig blind. Es gingen bald Stück für Stück die Tage und Jahre ganz lautlos vorbei, und wie schade, es riß die Fassade entzwei. Und die Liebe war fort, Stattdessen stand dort Dann doch nur meine Frau! Heut weiß ich wohl genau: Wird Lust alltäglich, Ist sie unerträglich! Ein Wort gibt ein Wort, Ganz oft unbedacht Gibst du dem Drachen noch Futter,

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Der den ganzen Tag schreit, Wie ein garstiges Weib, Oder schlimmer, so wie deine Mutter! Dem Himmel sei Dank musst du das niemals durchleiden. Du wirst, mein Freund, Dieses Los vermeiden.

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Du bist der glücklichste Mann auf der Welt. Der glücklichste Mann auf der ganzen Welt. Dein Geld gehört dir, Deine Zeit teilst du ein. Du, glaube mir, Könntest glücklicher nicht sein! BARNABY Du glaubst, dass es weh tut, doch da, Wo vorher die Fessel noch war, CLAUDE Bist du jetzt frei! BARNABY Eins ist sicher:

BEIDE Sie kommt nicht zurück. Es gibt wohl kein größeres Glück!

ANDERE MÄNNER Du bist der glücklichste Mann auf der Welt... CLAUDE, BARNABY Der glücklichste Mann auf der Welt...

N

IC

ANDERE MÄNNER Der glücklichste Mann auf der ganzen Welt... CLAUDE, BARNABY Der glücklichste Mann...

BARNABY Und keiner bestimmt, was du tust oder lässt. Vom Leben gehört dir ab heut’ der ganze Rest... CLAUDE Du wirst nicht seh’n, wie die Liebe verweht, BARNABY, ANTOINE, PIERRE Gottseidank, Gott, Gottseidank, Gottseidank!

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CLAUDE Wie ihre Schönheit vergeht. ALLE Vor Walzer und Windeln Hast du dich gedrückt. Es gibt wohl kein größeres Glück!

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(Der MARQUIS und die NICHTEN sind währendessen aufgetreten. AIMABLE sinkt in sich zusammen. Der MARQUIS geht schnell auf ihn zu.) MARQUIS Monsieur Castagnet, warten Sie! Alle wollen nur Ihr Bestes. Aber sie haben nichts anzubieten außer schöner Worte. Nun, auch ich bin ein Mann des Wortes, aber das ist nicht das, was Sie jetzt brauchen. Nein, mein Freund, Sie benötigen einen... handfesteren Trost... Nr. 13: Weibliche Bezugsperson NICHTEN (singen verführerisch) Weibliche Bezugsperson

MARQUIS Ja, mein Freund, wenn man sich erstmal an die Anwesenheit einer Frau gewöhnt hat – den Klang einer Frau, den Duft einer Frau, die bloße Existenz einer Frau... ja, das ist eine Gewohnheit, die man nicht mehr einfach so abschütteln kann... (singt) Weibliche Bezugsperson Hat dich fest im Griff, Steuert dir dein Schiff Volle Wucht auf’s Riff, und schon Hast du den Verstand verlor’n Durch die weibliche Bezugsperson.

N

IC

Sehen Sie, mein Freund, ich habe vollstes Verständnis für Sie. Und meine Nichten auch – Sie kennen doch meine Nichten, oder? SIMONE Simone... INEZ Inez...

NICOLE Nicole...

AIMABLE Sind das wirklich Ihre Nichten? MARQUIS 66


Mein lieber Freund, was ist eine Nichte? Die Tochter eines Bruders. Und da für mich alle Menschen Brüder sind... (zuckt mit den Schultern) AIMABLE Monsieur le Marquis, verstehe ich richtig: Sie bieten mir eine Ihrer Nichten als Geschenk an?

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MARQUIS Nein, nein, nein... Sagen wir doch lieber... als Leihgabe. Eine kleine Hilfestellung, damit Sie wieder auf die Beine kommen. Sehen Sie, jede von ihnen hat ihre Vorzüge. Zum Beispiel Simone... (bringt SIMONE nach vorne – singt) Simone hat Stil, Sie liest viel, Hat Gefühl, weiß genau: Was sie will, Das ist ein Mann, Der was backen kann. Drum fangt schon an: Die Mütze raus, Ofen an, Hört nur wie sie singen kann! SIMONE, MARQUIS Weibliche Bezugsperson, Reich den kleinen Finger, sie nimmt’nen Ring und dann kettet sie dich an. Jetzt dreh den Spieß und such dir dann MARQUIS Eine leidliche Weibliche Bezugsperson...

IC

NICHTEN, MÄNNER La la la la la la la .....

N

SIMONE Eine ist schon gut.

INEZ Nimm doch zwei, nur Mut!

NICOLE Drei entfachen Glut im Blut! MARQUIS Alles geht, Das weißt du schon, Mit’ner weiblichen Bezugsperson...

NICHTEN Ahhhh Bezugsperson

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(NICHTEN tanzen für AIMABLE, begleitet von Piffen und anfeuernden Rufen der MÄNNER) MÄNNER Du bist der glücklichste Mann Auf der Welt.

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NICOLE Du erzählst mir’nen Witz, Ich lache garantiert...

Der glücklichste Mann auf der Ganzen Welt. Die Damen hier geben, Was du auch begehrst. Kommst immer zuerst, Damit du dich Nicht beschwerst!

INEZ Du erzählst’ne Geschichte, ich hör dir immer zu...

SIMONE Und wenn es dich juckt, ja, dann kratz Ich ruck-zuck da, NICHTEN Bei mir wirst du Ganz entspannt.

Weibliche Bezugsperson

Ruf, und ich komm Angerannt!

Ja, denn jetzt Hast du vom Kuchen Das leckerste Stück.

Deine Freiheit bleibt bewahrt!

MARQUIS Gemecker, Genöle, das bleibt dir erspart. Hast dir Deine Freiheit Bewahrt!

IC

MARQUIS, NICOLE Jetzt hast du den Athos,

N

MARQUIS, INEZ Porthos,

MARQUIS, SIMONE D’Artagnan

ALLE Der weiblichen Bezugsperson, Oh, welch ein Glück!

(Die NICHTEN liebkosen AIMABLE. Direkt im Anschluß an den Song treten der PRIESTER, THERESE und HORTENSE auf...) PRIESTER (schockiert) Was ist denn hier los? 68


AIMABLE Monsieur le Marquis war so freundlich mir die Gesellschaft seiner Nichten anzubieten. Wenn ich wieder backe.

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PRIESTER Was? Ich komme hierher um diesem Mann Trost im Gebet anzubieten, und Sie wagen es... MARQUIS ... ihm etwas viel Besseres anzubieten.

PIREST Bestechung ist auch eine Sünde. Ich weiß, was ich zu tun habe! MARQUIS Wovon in Drei Gottes Namen reden Sie?

PRIESTER Ich werde Ihr Verhalten dem Bischoff melden, Monsieur le Marquis.

AIMABLE Aber ich bitte Sie, er hatte doch nur die besten Absichten. Egal ob ich nun... PRIESTER (brüllt AIMABLE an) Die Straße zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.

MARQUIS Gott bewahre mich vor dem süsslichen Geruch der Heiligkeit.

IC

DORFBEWOHNER (reden wild durcheinander) Sakrileg ... Der Marquis wollte doch nur helfen ... Der Priester hat recht, man kann nicht so einfach ... Wir wollen doch nur, dass er wieder backt ... Das ist eine Schande! Habt ihr das gehört? ... etc.

N

AIMABLE (ihm reißt der Geduldsfaden; brüllt) Raus! Raus! Ihr alle – sofort raus! (greift nach Brötchen und bewirft damit die DORFBEWOHNER)

DORFBEWOHNER (auf dem Rückzug) Jetzt ist er übergeschnappt ... der dreht ja völlig durch ... Wir wollten ihm doch nur helfen ... Jetzt haben wir keinen Bäcker mehr!

AIMABLE Raus! Raus! (Sie rennen nach draußen im Kugelhagel der Brötchen. Gleichzeitig sehen wir GENEVIEVE und DOMINIQUE. Sie tanzen Walzer, nur leicht bekleidet. Es ist sinnlich aber nicht wirklich romantisch, hedonistisch aber nicht wirklich liebevoll. Es 69


scheint, als gäben sie sich einfach zu viel Mühe. Und doch passen sie augenscheinlich sehr gut zusammen.

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Während IHRES Tanzes sehen wir im starken Kontrast dazu das Chaos im Dorf, während AIMABLE die DORFBEWOHNER mit Brötchengeschossen aus der Bäckerei vertreibt. Am Ende des Tanzes versinken GENEVIEVE und DOMINIQUE in eine innige Umarmung und AIMABLE in tiefe Verzweiflung.)

Szene 2 In der Kirche.

(Die DORFBEWOHNER haben sich versammelt. Der MARQUIS sitzt der Versammlung vor. ER sorgt für Ruhe.)

MARQUIS Liebe Freunde, liebe Freunde, ich bitte um Ruhe... Liebe Freunde, wir alle wissen, warum wir uns heute hier versammelt haben. Aufgrund gewisser unglücklicher Umstände gibt es gleich zwei Probleme: Ein verzweifelter Mann ohne Ehefrau und ein verzweifeltes Dorf ohne Brot. Ganz zu schweigen von meinem Peugeot... aber das ist eine private Angelegenheit. Wie dem auch sei, das Problem ist uns allen bekannt. Und die Lösung auch: Dieses närrische Weib muss dazu bewogen werden, zu ihrem hysterischen Mann zurückzukehren. Bevor er noch größeren Schaden anrichtet – wie zum Beispiel unser Dorf auf alle Zeiten zu verlassen. THERESE (ruft dazwischen) Die ist doch gar nicht in der Lage, unter anständigen Menschen zu sein! Er ist ohne sie besser dran. MARQUIS Er vielleicht. Aber wir nicht!

IC

PIERRE Wer weiß wie weit sie schon gekommen sind.

N

MARQUIS Ein Mann mit seiner Mission wird so wenig Zeit wie möglich auf der Straße verbringen. Vorschläge?

ANTOINE Jagen wir doch dem Bäcker eine Kugel ins Bein. Dann kann er wenigstens nicht auch noch abhauen.

MARQUIS (nach einer Pause) ... Gibt es noch andere Vorschläge? (Stille) Gut! Ich habe eine Plan... Wir teilen uns auf in Gruppen zu zweit... jeder nimmt sich ein anderes Gebiet vor... 70


DORFBEWOHNER Gute Idee... Genau... so machen wir es ... etc. MARQUIS Ich freue mich, dass Sie alle meiner Meinung sind. Also zur Aufteilung: Barnaby, Claude, Sie nehmen sich die Gegend um Valois vor...

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CLAUDE (unterbricht) Auf keinen Fall, wir reden nicht miteinander. MARQUIS Müssen Sie ja auch nicht.

CLAUDE (genervt) Und wenn ich sie entdecke? Dann rufe ich laut „Da sind sie!“ – aber wem sag ich das dann? Niemandem? MARQUIS Er wird Sie hören.

BARNABY Hören vielleicht, aber nicht antworten. Ich werde nicht sagen „Ja, da sind sie!“... oder „Das sind sie nicht, du Idiot!“ CLAUDE Siehst du, schon bin ich wieder der Idiot. Nur weil ich sie als erster gesehen habe! BARNABY Er ist ein Idiot! Gar nichts hat er gesehen!

DORFBEWOHNER Er sollte sich mit Schimpfworten zurückhalten... die spinnen doch beide... was kann man von denen schon erwarten ... etc.

N

IC

MARQUIS Bitte, bitte.. Monsieur Martine, vielleicht sollten Sie lieber mit...

LEHRER Bitte, haltet mich daraus. Die beiden zu suchen entbehrt jeglicher Logik. Es ist doch so: Wenn A und B nicht zusammen passen und B deshalb mit C davonläuft, woher nehmen wir dann das Recht... HORTENSE Wovon redet er?

BARNABY Ruhe! Hört doch einfach zu! DOUMERGUE Setzen, Herr Lehrer, das ist doch keine Schule hier... 71


ANTOINE Wartet. Ich möchte mehr über A und B hören. (Aufruhr)

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MARQUIS Pierre. Wie wär’s, wenn Sie gemeinsam mit Doumergue die Gegend um Valois absuchen? PIERRE Meinetwegen. Wenn er seine Eiche wegmacht.

DOUMERGUE Mein Baum bleibt wo er ist! An seinem Fuße wirst du noch eines Tages zur letzten Ruhe gebettet werden. PIERRE Und was ist mit meinem Spinat? Der geht zu Grunde. DOUMERGUE Soll er doch. Und du gleich mit.

PIERRE Hört ihr das? Er verflucht mich und meinen Spinat. (Aufruhr)

PRIESTER Ruhe, bitte. Wir dürfen die Ernsthaftigkeit der Verfehlungen dieser Frau nicht aus den Augen verlieren. (singt) Nr. 14: Doch da ist ja noch sie (reprise)

N

IC

Des Bäckers Frau hat selber Schuld, hatte ihr Heil selbst in der Hand. Am besten sie kommt niemals zurück, Am besten geht sie in ein and’res Land. Oh, es ist sehr bedauerlich, vom Schicksal so getroffen: Ausgestoßne Frau, kannst niemals mehr auf Gnade hoffen. Und ich sage zu euch, Auch ihr seid Sünder hier: Ja, Isebel wär nie gefall’n Doch da seid ja noch ... (Währenddessen ist AIMABLE aufgetreten. Der PRIESTER bemerkt ihn und bricht seine Predigt beschämt ab. Es folgt ein Moment peinlicher Stille.) MARQUIS

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Monsieur Aimable, wie schön dass Sie zu uns kommen konnten. Wie Sie vielleicht wissen, sprechen wir über Ihre Situation und wie wir Ihnen helfen können. Wenn Sie gerne etwas sagen möchten...

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AIMABLE Ich möchte mich für mein Benehmen entschuldigen. Es war ungehörig. Sie wollen alle nur das Beste. Es ist nur, ich bin einfach nicht ich selbst ohne meine Genevieve... Ohne meine Genevieve. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll... Ohne meine Genevieve sind die Tage platt und schwer, wie ein Teig ohne Hefe... Ohne meine Genevieve ist alles grau und kalt, wie die Asche im Ofen... Ohne meine Genevieve... Ohne meine Genevieve... (ER stockt und kann nicht weitersprechen) DENISE Würdest du je so etwas über mich sagen, Claude? CLAUDE Vielleicht... Wenn du mich verlässt. (Sie wendet sich ab, verletzt) Hab das nicht so gemeint. Schlechter Witz.

ANTOINE Mach dir keine Sorgen, Bäcker. Das wird schon wieder. Es tut mir leid, dass ich dich als Gehörnter verspottet habe. Was ich wirklich gemeint habe, war... dass du...

IC

AIMABLE Dass ich ein Gehörnter bin. Aber Ihr hattet unrecht. Ein Gehörnter ist jemand, dessen Frau ihn betrogen hat und er hat’s nicht gemerkt. Aber, wisst ihr, ich hab’s ja gemerkt. Und glaubt ihr nicht, ich habe immer gewusst, dass es mir passieren könnte?... Ich weiß doch, wie wir zusammen aussehen, dass ich so viel älter bin als sie... Ich bin nicht blind. Ich weiß wer ich bin. Und ich weiß wer sie ist... Ich habe immer gesagt, dass sie wunderschön ist, ein Engel. Ich weiß dass es andere gibt, die noch schöner sind. Ich weiß, dass sie nicht nur ein Engel ist... Aber was tut man, wenn man jemanden liebt? Man lässt es halt drauf ankommen... man hofft... man spielt... Manchmal gewinnt man... (er geht langsam ab... hält inne, wendet sich dem MARQUIS zu) Hier... meine Ersparnisse... für Ihr Auto... (er geht ab)

N

(Pause)

CLAUDE Monsieur le Marquis, ich möchte das gerne richtig stellen. Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht Willens wäre, nach Valois zu gehen, um seine Frau zu suchen... BARNABY (steht auf, entrüstet) Ich etwa?

CLAUDE Du hast gesagt, dass du nicht mit mir gehen willst. Das hast du gesagt. BARNABY 73


(überrascht) Redest du mit mir? CLAUDE (unbehagt) Ich rede. Wenn du mich hörst, ist das dein Problem.

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MARQUIS Gehen Sie jetzt zusammen, oder was?

BARNABY Also, ich gehe... Keine Ahnung, was mit ihm ist. CLAUDE Ich hab gesagt, ich gehe.

MARQUIS Aber wenn er geht und wenn Sie gehen, dann gehen Sie beide doch zusammen! BARNABY (zögerlich) Das kann man so sehen.

HORTENSE (scharf) Barnaby, hör auf! Red nicht so ein Blödsinn! Du gehst jetzt mit Claude und ihr sucht gemeinsam nach der Frau des Bäckers. Und wenn du sie findest, dann sagst du das Claude und dann bittet ihr sie, zu ihrem Mann zurückzukehren. Hör auf so ein Kindskopf zu sein! BARNABY (kleinlaut) Wie sie schon sagte... Gehen wir am Flussufer lang?

IC

HORTENSE Claude!

N

CLAUDE Ja, das wäre wohl am besten.

PIERRE Monsieur le Marquis, Ich kenn mich in den Bergen im Westen ganz gut aus. DOUMERGUE Ich auch... ich geh da immer jagen. MARQUIS Also geht ihr zwei zusammen? DOUMERGUE Nun ja, unter den gegebenen Umständen...

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(Sie sehen einander an und nicken) MARQUIS Gut. Jetzt zu den anderen.

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ALLE Ich suche die Gegend um Veuville ab... Die Wälder im Westen, da gibt es viele Höhlen... Bei St. Andre im Osten... etc. MARQUIS Einer nach dem anderen... einer nach dem anderen... (Die MÄNNER gehen nacheinander ab.)

Szene 3

Nr. 15: Denn ich leb ab heut allein

AIMABLE Das Haus wirkt kleiner seit sie verschwand Und so viel weiter das karge Land. Und die Uhr, sie tickt noch dort an der Wand. Doch die Zeit kann nicht befrei’n, denn ich leb ab heut allein.

Die Blätter rauschen ihr Lied im Wind, Die Sonne scheint noch, wenn der Tag beginnt. Ich lebe weiter, ihr Licht verrinnt Und dann fällt die Nacht herein, Denn ich leb ab heut allein.

N

IC

In meinem Leben gab’s einen Plan, Gab’s eine Ordnung bevor sie kam: In dem kleinen Restaurant Aß ich abends stets um Acht. Ging spazier’n, dann zu Bett, In aller Frühe aufgewacht. Ich war so lang alleine, Und das hat mir nichts gemacht...

Ich hör noch Lachen, es rauscht das Meer, Jedoch zu lächeln, das fällt mir schwer. Für diese Narbe, Herr, dank ich sehr, Denn sie soll zum Schutz mir sein. Und sie werde hart wie Stein. Und sie werde hart wie Stein. Denn ich leb ab heut allein!

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Szene 4 Das Café....

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(Die FRAUEN sitzen herum und warten auf die Rückkehr der Männer... Die NICHTEN sitzen an einem Tisch, THERESE und HORTENSE an einem anderen. DENISE schenkt Wein nach.) DENISE Noch ein Glas Sauternes, Therese?

THERESE Ich hab wirklich schon genug... Naja, aber nur noch einen Schluck. DENISE Hortense?

HORTENSEN Warum nicht?

SIMONE Wie lange sind die Männer denn jetzt schon weg? DENISE Gut vier Stunden... HORTENSE Länger.

INEZ Irgendwie komisch, so ganz ohne sie hier zu sitzen.

IC

HORTENSE Nur wir Frauen.

N

NICOLE Och, na ja...

DENISE Dem Barnaby hast du’s aber ganz schön gezeigt bei der Versammlung. Das war großartig. HORTENSE Hat sich gut angefühlt.

NICOLE (erhebt ihr Glas) Auf dich, Hortense. SIMONE (hebt ihr Glas) 76


Hortense! (Sie trinken.) INEZ Völlig egal, wie lang sie auch suchen, sie werden Dominique und die Frau des Bäckers niemals finden. Da bin ich mir sicher.

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HORTENSE Kann man sich gar nicht vorstellen, diese beiden... laufen einfach so davon... wie zwei Verbrecher.

THERESE Genau, Verbrecher sind das... Haben uns nichts als Scherereien gemacht! Widerlich! SIMONE Denken nur an sich...

INEZ Sowas von egoistisch... NICOLE Furchtbar...

HORTENSE Wie können Menschen sich nur so benehmen? Nr. 16: Gefühl FRAUEN Ahh Ahh Ahh

DENISE, HORTENSE, THERESE Sie sehnt sich nur nach Gefühl.

N

IC

FRAUEN Ahh Ahh Ahh

DENISE Davon gibt’s in Frankreich viel! FRAUEN Ah, Gefühl... FRAUEN Ad lib

NICOLE Blümchen in Pink, SIMONE, INEZ 77


Ein Prinz hoch zu Roß, THERESE Ja, davon träumt Ein Mädchen bloß...

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DENISE Doch triffst du’nen Mann, Dann siehst du bald ein

HORTENSE „Ewig verliebt“ kann verdammt lange sein! FRAUEN Du kommst ihm ganz nah, Gefühl ist nicht da...

Die Blätter der Blüten fall’n schnell herab, DENISE Die Lust wird schwach HORTENSE und die Hose knapp.

DENISE Er sieht dich nicht mehr an

HORTENSE Und auch nicht seine Zeh’n. DENISE Ich hab Haare nur noch

IC

HORTENSE In seiner Nase geseh’n.

N

NICHTEN Er will dich nicht mehr küssen Und nichts mehr von dir wissen. THERESE Und das zeigt, wie es sich Mit der Liebe verhält: Willst du, dass es was wird...

THERESE, NICHTEN Ja, dann mach’s dir doch selbst! (Sie lachen) THERESE 78


Es bleibt nur eine Wahl, dem der die Liebe gut kennt: Entweder du bist Realist, NICHTEN Oder bleib abstinent!

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ALLE Ah, Gefühl... INEZ Tanzen wir? (Sie geht zu THERESE und tanzt mit ihr) (INEZ tanzt mit THERESE) (NICOLE tanzt mit THERESE) (HORTENSE tanzt mit THERESE) (ALLE tanzen mit ihren Stühlen)

THERESE, HORTENSE, NICHTEN Ahh, ahh, ahh Ahh, ahh, ahh Ahh, ahh, ahh

N

IC

DENISE Also sucht sie nach Gefühl? Sie verlangt ja gar nicht viel... Lang, lang ist’s her, ja, es scheint lang schon her, nur für einen Moment, war alles im Licht. Es hat sich gut angefühlt, Für ihn gab’s nur mich. Wir hatten die beste Zeit. Heut denk ich, das kann gar nicht sein. Oder bild ich mir alles nur ein? Möchte es einmal noch spür’n, dafür gäb ich viel, einmal noch dies... FRAUEN Gefühl... (sie seufzen) Ahhh

(Der MARQUIS tritt auf, zusammen mit CLAUDE und BARNABY, die sich angeregt miteinander unterhalten.) BARNABY ... ich hatte ja nie die Gelegenheit, dir einmal zu sagen, wie sehr ich deinen Coq au Vin schätze. So was von lecker...

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CLAUDE Das ist wirklich zu freundlich von dir. Aber du solltest auch mein Käse Soufflé probieren. Sowas bekommst du sonst nur in Paris. MARQUIS (versucht zu unterbrechen) Claude..... Barnaby....

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BARNABY Ich hab eine Idee: Wollen wir nicht zusammen Fischen gehen? Am Sonntag?

CLAUDE Das ist eine wunderbare Idee. Und ich kenne die perfekte Stelle, wo die Fische nur so aus dem Wasser springen... MARQUIS (bestimmt) Claude! CLAUDE Was?

MARQUIS Habt ihr niemanden getroffen, der sie gesehen hat? CLAUDE Wen?

MARQUIS Die Frau des Bäckers und Dominique. Ihr habt nichts über sie gehört?

IC

CLAUDE Nein! (zu BARNABY) Wir könnten uns ein kleines Picknick mitnehmen. Ich bring ein Baguette...

N

BARNABY Wundbar, und ich eine Flasche Wein... Nur wir beide, ohne die Frauen... CLAUDE Auf keinen Fall, die verjagen uns ja nur die Fische.

BARNABY Die sind die ganze Zeit immer nur am Reden, Reden, Reden...

(Währenddessen sind der LEHRER und der PRIESTER aufgetreten.) LEHRER Was ist passiert? Haben sie was herausgefunden? MARQUIS 80


Nur wie man sich gegenseitig zu Tode quasselt, sonst nichts. PRIESTER Nun, hier kommen die anderen. (PIERRE und DOUMERGUE treten auf, singend, Arm in Arm)

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MARQUIS Ihr seid ja betrunken!

PIERRE (denkt nach) Da haben Sie wohl Recht.

DOUMERGUE Aber wir haben uns trotzdem überall nach der Frau des Bäckers erkundigt. Wir haben jeden gefragt, der uns über den Weg lief. Aber keiner wusste gar nix.

PRIESTER Schämt euch! Ihr hattet einen wichtigen Auftrag und solltet einem eurer Mitmenschen helfen... PIERRE Hab’n wir doch! Ich hab ihm gehelft und er mir! (Sie umarmen sich.)

DOUMERGUE Morgen mach ich die Eiche um. Dann kann dein wunderschöner Spinat überleben. PIERRE Nein, tu deinem Baum nichts an... Ich liebe ihn!... Nächstes Jahr pflanz ich das Grünzeugs einfach woanders.

N

IC

DOUMERGUE Du bist ein großartiger Mensch... So einen großartigen Menschen habe ich noch nie getroffen. (Er weint) LEHRER Als hätt ich’s geahnt, Monsieur le Marquis, das bringt nichts. Die haben sich entweder richtig gut versteckt oder sind längst über alle Berge. Es ist zwecklos. (ANTOINE tritt auf.)

ANTOINE (mit gewichtigem Ton) Ich habe die Frau des Bäckers gefunden! MARQUIS Antoine! Den hatten wir ganz vergessen...

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ANDERE (scharen sich um ANTOINE) Wirklich?... Großartig... Wo ist sie?

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ANTOINE (sein großer Auftritt) Langsam! Lasst mich doch erst mal erzählen, wie ich sie gefunden haben. Das wär nämlich gar nicht einfach. Zuerst bin ich die Straße am Fluß entlang nach Boubard gegangen... Aber dann dachte ich mir, warum die Strasse am Fluß?... Wenn ich nicht entdeckt werden will, würde ich dann etwa die die Straße am Fluß nehmen?... Also hab ich mich entschieden, stattdessen Richtung Kanal zu gehen... MARQUIS (ungeduldig) Und? Und?

ANTOINE Ich bin also Richtung Kanal gegangen. Und dort hab ich zufällig den alten Bernard getroffen, wisst ihr, der mit dem Buckel, dem das linke Auge fehlt... PIERRE Das rechte Auge.

ANTOINE (genervt) Das linke. PIERRE Das rechte.

ANTOINE Ich habe ihn doch selbst gesehen. Ihm fehlt das linke Auge!

MARQUIS Linkes Auge... rechtes Auge... Wo ist die Frau des Bäckers?

N

IC

ANTOINE Das versuche ich Ihnen doch die ganze Zeit zu sagen... Wo war ich stehn geblieben? Also noch mal von vorne. Zuerst wollte ich die Straße am Fluß nach Boubat nehmen, aber... LEHRER Antoine! Du hast den alten Bernard getroffen...

ANTOINE Woher wissen Sie das? Ach so, ja (scharf, zu PIERRE) Dessen linkes Auge fehlt! Als ich ihm die Geschichte erzählt habe, hat er so laut gelacht, dass ich schon Angst hatte, sein anderes Auge würde auch noch rausfallen. Nun... er hatte auch keine Ahnung, wo die beiden sein könnten. Also bin ich am Kanal entlanggegangen... MARQUIS Wo ist die Frau des Bäckers? ANTOINE

82


Das versuche ich doch gerade zu erzählen! Ich bin also am Kanal entlanggegangen und habe die Brüder Mouret getroffen. Sie waren beim Fischen. Ich hab sie gefagt, ob sie gestern abend zwei Leute gesehen hatten und sie sagten ja. MARQUIS Und? Und?

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ANTOINE Also habe ich gefragt, wo die hingegangen sind. Und sie sagten: „Richtung Beaulieu“. MARQUIS Beaulieu?

ANTOINE Und wer waren die, hab ich gefragt? Wie sahen die aus? Und sie sagten mir... Der alte Malcolm, der Schuster, und sein Sohn, Michel. Wahrscheinlich auf dem Weg zum Einkaufen. Na, das hat mir natürlich gar nicht weitergeholfen, also bin ich... MARQUIS (packt ihn am Hals) Wo ist die Frau des Bäckers? ANTOINE (erschreckt) Was?

MARQUIS (würgt ihn) Wo ist die Frau des Bäckers? Und Dominique? ANTOINE Hilfe! Er bringt mich um!

N

IC

PRIESTER Monsieur le Marquis! (Der MARQUIS lässt von ANTOINE ab. Der PRIESTER beginnt sofort, ihn selbst zu würgen) Wo sind sie? Oder dein letztes Stündlein hat geschlagen! ANTOINE (kann kaum sprechen) In einem kleinen Hotel in Marichon. (PRIESTER lässt ihn los.) PRIESTER Woher weißt du das? ANTOINE Ich hab gesehen, wie sie reingegangen sind...

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MARQUIS Na endlich! Jetzt wissen wir, wo sie sind... Die Frage ist nur, wie kriegen wir sie dazu, wieder zurückzukommen? Vielleicht sollte ich Kraft meines Amtes als Bürgermeister zu ihr gehen. Und dann verlange ich von Ihr für das Wohlergehen unseres Dorfes umgehend...

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LEHRER Nein, nein, nein. Man muss der Dame mit Logik kommen, guten Argumenten. Und, in aller Bescheidenheit, dafür bin wohl eher ich der Richtige. PRIESTER Nein, nein, nein – doch nicht Logik! Ich sollte mit ihr sprechen. Sie an ihre religiösen Verpflichtungen erinnern... LEHRER (stöhnt) Oh, Gott! PRIESTER Genau!

ANDERE (durcheinander) Der Marquis hat die Authorität... Ich denke, der Priester sollte... Der Lehrer weiß, wie man redet... DENISE Ich habe einen Vorschlag... MARQUIS Ja?

DENISE Warum gehen Sie nicht alle drei? Zusammen?

IC

LEHRER Was?

N

MARQUIS Zusammen? PRIESTER Mit denen?

(sie zögern)

DENISE Sie verlieren wertvolle Zeit.

MARQUIS Kommen Sie... wir müssen uns beeilen... (MARQUIS, PRIESTER und LEHRER gehen ab.) 84


DIE ANDEREN Viel Glück!... Bringt sie zurück, etc.

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Szene 5 Ein kleines, schäbiges Hotel... tagsüber (DOMINIQUE liegt ausgezogen auf dem Bett.. GENEVIEVE im Unterkleid, sieht aus dem Fenster.) DOMINIQUE Weißt du, was ich denke? GENEVIEVE Hmmm?

DOMINIQUE Warum gehen wir nicht nach Paris? Da wollte ich schon immer mal hin GENEVIEVE Paris?

DOMINIQUE Da lebt ein Kumpel von mir. Er besorgt uns’ne Unterkunft, einen Job. GENEVIEVE Ja, aber...

DOMINIQUE Aber? Zu Paris gibt’s ein aber?

IC

GENEVIEVE Ich hätte nicht gedacht, dass wir so weit gehen...

N

DOMINIQUE So weit wovon?

GENEVIEVE Nichts. Ich hab nur laut gedacht... Nichts. DOMINIQUE Also, ich finde, die Idee ist super.

GENEVIEVE (sieht aus dem Fenster) Schau mal!.... Das Mädchen mit der Katze auf dem Arm... Sieht aus wie Pompom. DOMINIQUE Wer? 85


GENEVIEVE Unsere Katze... Die Katze, die du... Ich vermisse Pompom. (lacht) Ich hab mit ihr immer gesprochen.... Sie um Rat gefragt. DOMINIQUE Die Katze? Was redest du da eigentlich?

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GENEVIEVE Ja, nicht wirklich... ich hab nur so getan... vergiß es. DOMINIQUE (verwirrt) Wer redet denn mit einer Katze?

GENEVIEVE Ich hab ja nur so getan. (sie holt sich einen Schal und wickelt ihn sich um den Hals) DOMINIQUE Einen Schal? Bei diesem Wetter? GENEVIEVE Mir ist kalt.

DOMINIQUE Dir ist immer kalt. (gähnt) Vielleicht hast du was.

GENEVIEVE Weiß nicht... Vielleicht hatte ich mich einfach zu sehr an den Ofen gewöhnt... Möchtest du einen Kaffee? (Sie dreht sich zu ihm um. Er schläft.)

IC

Nr. 17: Doch wärmt es nicht

N

Schau ihn an, Sein Gesicht, Sein Profil ist ein Ereignis. Schau ihn an, Die Figur ein Juwel. Und ich schau ihn an, Mein Verlangen ist grenzenlos! Das Feuer brennt hell, Und doch, wärmt es nicht.

Schau uns an, Siehst du nicht, Wie gut wir zusammen passen? Schau uns an, Sieh, wieviel uns vereint. 86


Ja, doch, schau uns an, Und dann merkst du, sie zittert doch! Die Sonne, sie scheint, Und doch wärmt sie nicht.

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Wie mein Herz schneller schlägt, Jedes Mal, wenn er vor mir steht Und lächelt, Da denkst du doch, ganz tief in mir drin Ist es heiß. Nein, da ist nur Eis…

Schau mich richtig an, Und du denkst, Es sei bitterkalter Winter. Schau mich an, Mein Gesicht ist ganz weiß. Und er schaut mich an, So dass ich denke, der Frühling kommt. Die Glut ist so heiß, Ich weiß, doch wärmt sie nicht. Das Feuer brennt hellt, Und doch wärmt es nicht! Und ein Auge weint, Doch dass and’re lacht, Mein schöner Mann, ich geh’, Gutnacht!

(Sie hat ein paar Sachen zusammengesucht und lässt DOMINIQUE schlafend zurück.)

IC

Szene 6 Eine Dorfstraße mit einer Bushaltestelle in Marichon.

N

(LEHRER, PRIESTER und MARQUIS kommen herbeigelaufen.)

MARQUIS Schnell... der Concierge im Hotel hat gesagt, sie ist zur Bushaltestelle gegangen. LEHRER Der Bus geht um Zwei. Wir haben nicht mehr viel Zeit. PRIESTER Einen Moment, bitte... (Sie halten an) Ich muss mir überlegen, was ich ihr sagen will.

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LEHRER Jetzt kommen Sie schon, Monsieur le Curé. Das heilige Eheversprechen, die fremdgehende Frau... das sind doch alles Klassiker. Das hatten Sie doch schon alles als Messdiener drauf.

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PRIESTER Ja, die Themen sind einfach. Eine Predigt wär ja auch kein Problem... Aber hier geht es um einen echten Menschen... (als wenn ihm das zum ersten Mal klar wird) Vielleicht reicht es einfach zu fragen: „Ist dir klar, meine Tochter, dass du gesündigt hast?“ MARQUIS Ich bitte Sie, Sie sind doch der geistige Vater. Was sollen sie schon sonst fragen... etwa „Hat’s Spaß gemacht?“ LEHRER Da ist sie.

(GENEVIEVE tritt auf, sieht die Straße hinunter, als wenn sie auf den Bus wartet... Sie gehen auf sie zu...) MARQUIS Genevieve!

(Sie erschrickt)

GENEVIEVE Was... was tun Sie hier? (plötzlich hat sie Angst) Ist etwas passiert? MARQUIS Wir haben Sie gesucht.

IC

GENEVIEVE Das versteh ich nicht.

N

LEHRER Wo wollen Sie hin?

GENEVIEVE Ich weiß nicht... vielleicht nach Marseilles... LEHRER Alleine?

GENEVIEVE Ja. PRIESTER Wir sind hier, um Sie zu bitten: Kommen Sie nach Hause!

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GENEVIEVE Nach Hause?... Wie könnte ich das? Nach all dem, was geschehen ist? PRIESTER Der Herr im Himmel vergibt den Sündern... Warum sollten wir Menschen das nicht auch können?

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(LEHRER und MARQUIS schauen ihn überrascht an.) LEHRER Ja... möge wer ohne Sünde ist den ersten Stein werfen. (PRIESTER sieht den LEHRER an, überrascht und erfreut) Ich meine... es gibt Grenzen der Logik, nicht wahr? Vielleicht haben wir deshalb Dichter... (sieht den PRIESTER an)... und Priester. GENEVIEVE Ich weiß nicht, was ich tun soll.

MARQUIS Denken Sie einfach an das Eheversprechen... „Bis dass der Tod uns scheidet“... Das sind heilige Worte... (Alle schauen ihn erschrocken an.) Ich meine, für die, die sie sprechen. Sich ein solches Versprechen zu geben, einen Menschen für alle Zeit zu lieben, das erfordert... Stärke. Vielleicht wollen sich deshalb einige Menschen nicht darauf festlegen lassen, einen anderen zu lieben. GENEVIEVE ... Aber wie kann ich ihm gegenübertreten... und all den anderen?

IC

PRIESTER Wie Sie ihm gegenübertreten wollen, das können nur Sie allein entscheiden... Was uns andere betrifft... Der Herr sprach: „Vergib uns unsere Sünden...“ Komm, meine Tochter... (Er streckt seine Hand aus... Nach einem Moment nimmt sie sie... Sie gehen gemeinsam ab...)

N

MARQUIS (zu sich) „Vergib uns unsere Sünden“... Das hat was... (SIE gehen ab)

Szene 7 Der Dorfplatz. Am abend.

(Die DORFBEWOHNER warten unruhig. Plötzlich kommt PHILIPPE hereingelaufen. PHILIPPE (aufgeregt)

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Sie kommt zurück! Die Frau des Bäckers ist wieder da! Sie haben sie gefunden... Es gibt wieder Brot... LEHRER (tritt auf) Machen Sie die Straße frei, bitte! Gehen Sie in Ihre Häuser.

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BARNABY Warum?

LEHRER Monsieur le Curé hat das angeordnet. Wir wollen die Frau doch nicht bloßstellen. (Alle gehen schnell ab, außer THERESE. Sie positioniert sich bestimmt.) CLAUDE Mademoiselle, von der Straße bitte...

THERESE Ich bleibe wo ich bin. Damit ich sie sehen kann und sie mich. Ich will die Rückkehr einer räuigen Sünderin bezeugen! CLAUDE Aber, Mademoiselle... LEHRER (nimmt ihn zur Seite) Was ist denn los? CLAUDE Sie will nicht gehen. LEHRER Überlass das mir.

IC

(CLAUDE geht ab.)

N

LEHRER Verehrte Dame...

THERESE Vergessen Sie’s. Ich bleibe hier. Wenn einen Ehebruch zur Königin des ganzen Dorfes macht, warum dann überhaupt noch ein tugendhaftes Leben führen... können Sie mir das sagen? LEHRER (schmachtend) Wie Recht Sie haben, meine liebe Therese. Was soll das alles mit den guten Tugenden? All diese Jahre haben wir damit verschwendet. Dies ist der Moment es wieder gut zu machen. (er zieht sie zu sich her an... versucht sie zu küssen.)

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THERESE (schockiert, schiebt ihn von sich) Sie sind verrückt geworden.

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LEHRER (versucht sie wieder zu greifen) Ja, das bin ich. Verrückt nach Ihnen. Ich hab mich nach Ihnen verzehrt. Ich möchte sie küssen, sie liebkosen... (Sie läuft verängstigt davon. Er will abgehen, lacht in sich hinein. Sie kehrt zurück.) THERESE Monsieur...

LEHRER (wie zuvor, geht wieder auf sie zu) Gib mir deine Lippen... diese Lippen... diese rubinroten Lippen...

THERESE Hören Sie auf! Martine... wenn Sie ein ernsthaftes Angebot zu machen haben, dann werde ich Sie morgen früh empfangen. Bei mir zu Hause. Nach dem Frühstück. (will abgehen, dreht sich mit viel Würde) Es wird eine Anstandsdame anwesend sein.

(THERESE geht ab. Der LEHRER geht in die andere Richtung ab, offensichtlich in Sorge darüber, in was er sich da selbst hineingeritten hat. Dann tritt HORTENSE auf. Sie trägt einen kleinen Koffer. SIE überquert die Bühne in Eile und will wieder abgehen. In diesem Moment kommt DENISE aus dem Café, um die Fensterläden zu schließen. Sie bemerkt HORTENSE.) DENISE (bemerkt den Koffer) Hortense! Wo gehst du hin?

IC

HORTENSE Meine Schwester besuchen... in Vince-sur-Mer... Ich hab sie schon eine ganze Zeit nicht mehr gesehen und...

N

DENISE Und Barnaby?

HORTENSE Was ist mit ihm?

DENISE Weiß er, dass du gehst?

HORTENSE Ich hab ihm eine Nachricht hinterlassen. Wenn er sie liest, dann weiß er Bescheid. DENISE Aber, es ist doch nur zu Besuch... ich meine, Du kommst doch wieder, oder? 91


HORTENSE Komm ich das? Ich weiß es nicht. Denise, ich weiß es nicht. DENISE Wie seltsam... Die Frau des Bäckers kehrt zu ihrem Mann zurück, während du deinen verlässt.

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HORTENSE Nun, ich denke, wir haben beide unsere Gründe... Ich muss los... Mein Bus fährt bald. Lebewohl, Denise. DENISE Möge Gott mit dir sein, Hortense.

(Umarmt sie... HORTENSE läuft davon... DENISE geht ins Café... Nach einem Moment tritt GENEVIEVE auf, begleitet vom PRIESTER und vom MARQUIS. SIE geht langsam zur Bäckerei herüber, schaut noch einmal zurück zum PRIESTER und zum MARQUIS... SIE nicken ihr zu und gehen ab.)

Szene 8 Die Bäckerei. Der Tisch ist akkurat gedeckt.

(AIMABLE ist mit dem Rücken zur Tür. GENEVIEVE erscheint im Türrahmen und AIMABLE hält in der Bewegung inne, sich ihrer Anwesenheit bewusst. Eine Pause. Dann dreht er sich zu ihr um.) AIMABLE Du bist wieder da.

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GENEVIEVE Ja. (Ein peinlicher Moment der Stille.) Vergib mir.

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AIMABLE Dir vergeben? Das sagt sich so leicht – „Vergib mir“. Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht. Warum hast du mir nicht einfach gesagt, dass du zu deiner Mutter gehen wolltest? Hattest wohl Angst, ich könnte dich davon abhalten, oder? GENEVIEVE Nicht so vergeben, Aimable.

AIMABLE Was soll das heißen „nicht so“? Was meinst du? GENEVIEVE Ich möchte dir die Wahrheit sagen.

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AIMABLE Wahrheit! Ich kenne Wahrheiten zu Genüge. Zu viele Wahrheiten sind schwer zu verdauen. Sie machen dich krank. GENEVIEVE Aber ich möchte, dass du es weißt...

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AIMABLE Ich weiß genug. Und hör auf dauern von „vergeben“ zu reden. Sonst bild ich mir noch komische Sachen ein... Du hast doch bestimmt Hunger, nicht? GENEVIEVE Ja.

AIMABLE Und ist dir auch kalt? GENEVIEVE Ein bisschen...

AIMABLE Nun, ich hab mir ein bisschen was gekocht. Ich wusste ja nicht, dass du kommst. Aber ich hab eigentlich gar keinen Hunger. Also iss es ruhig. GENEVIEVE (setzt sich an den Tisch) Du... hast dich verändert.

AIMABLE Verändert? Nun, ich muss dir etwas gestehen. Während du weg warst, habe ich eine Dummheit gemacht. Ich hab mich volllaufen lassen, einfach nur so, aus Langeweile. Da erhol ich mich immer noch von.

IC

GENEVIEVE Nein, das meine ich nicht... du siehst irgendwie... besser aus.

N

AIMABLE Besser? Vielleicht sollte ich öfter was trinken? Nun mach schon... iss. (Eine Katze miaut. AIMABLE sieht aus dem Fenster.) Nun sieh mal an, wer wieder da ist... (öffnet das Fenster und hebt POMPOM herein. Setzt sie neben einem Schälchen mit Milch ab.) Da bist du also wieder... Du Streuner... Rumtreiberin... Hast wohl genug draußen rumgelungert, was? Kommst jetzt wieder ins warme Nest gekrochen, du Nichtsnutz... Macht dir wohl gar nichts aus, dass sich hier jemand Sorgen um dich gemacht hat, dich vermisst hat, oder? Wo warst du überhaupt? Irgendeinem Kater hinterhergerannt? Einem Fremden, der bei Nacht’ne gute Figur gemacht hat? Was hat er gehabt, dass es sich dafür gelohnt hat, von zu Hause wegzulaufen? Du dummes Viech... selbstsüchtige Kreatur... du Schlampe!

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Hier, trink deine Milch... hat die ganze Zeit hier für dich gestanden... Bist du deshalb zurückgekommen, Pompom? Dir war kalt und du hattest Hunger? Und jetzt, Pompom... Gehst du jetzt wieder weg? GENEVIEVE Sie geht nicht mehr weg.

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AIMABLE (weiterhin zu POMOPOM) Weil, wenn du wieder weggehen willst, dann tu es gleich. Das ist dann nicht ganz so grausam... GENEVIEVE Sie geht nicht wieder weg.

(GENEVIEVE beginnt zu weinen. Er geht zu ihr, spricht sanft.) AIMABLE Genevieve...

(Sie winkt ihn mit einer Handbewegung auf Abstand. Langsam hebt sie ihren Kopf und schaut ihn an.) Nr. 18: Finale Akt II

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GENEVIEVE Lass mich herab Von dem Podest. Ich bin kein Engel. Und doch, ich Versprech, wenn du mich lässt: (steht und sieht ihn an) Ich will immer Zu dir stehen. Will an deiner Seite sein. (Für einen Moment stehen sie, unsicher was sie tun sollen. Dann geht sie langsam zu ihm, steht vor ihm. Plötzlich berührt er sie, sie umarmen und küssen sich.) BEIDE Im Leben niemals Mehr allein...

AIMABLE Ich muss den Teig für morgen ansetzen... GENEVIEVE Ich mache den Ofen an... AIMABLE (nach einem Moment)

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In Ordnung, wenn du das möchtest, Genevieve... (streckt seine Hand zu ihr aus) GENEVIEVE (nimmt seine Hand) Madame Castagnet.

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DENISE Denn im Leben da zählt der Geschmack Des Kaffees doch allein. Und wenn die Hand dich berührt, wie der Sonnenschein, Dann kann sich die Welt auch ändern, Dann kann die Welt anders sein... DORFBEWOHNER LA LA LA LA LA LA ETC. LA LA LA LA LA LA ETC. LA LA LA LA LA LA ETC. LA LA LA LA LA LA ETC.

AIMABLE Und die Hand, die dir täglich Die Wange berührt, GENEVIEVE Scheint plötzlich von jemand anders geführt.

DENISE Und dann sag, willst du gehen? Oder stehst du dafür Zu bleiben?

(AIMABLE und GENEVIEVE umarmen sich.)

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ALLE Jeden Tag geht die Welt unbeirrt ihren Gang. Und du gehst jeden Tag diese Strasse entlang. Und siehst du im Café dort Diese Frau, jenen Mann, Dann kann sich die Welt auch ändern. Kann die Welt anders sein. (Vorhang.)

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